Berlin. Landesarbeitsgericht entscheidet: Ein Zahnarzt darf einer junge Frau nicht den Ausbildungsplatz verweigern, weil sie im Job ihr Kopftuch tragen will. Das widerspreche dem Antidiskriminierungsgesetz. Der Mediziner muss nun eine Entschädigung zahlen. Die Bundesbehörden erhoffen sich eine Signalwirkung an alle Arbeitgeber.
Einer jungen Frau darf laut einer Gerichtsentscheidung in Berlin nicht deshalb der Ausbildungsplatz verweigert werden, weil sie aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen will. Dieses Urteil fällte das Berliner Landesarbeitsgericht in einem Prozess gegen einen Zahnarzt, wie ein Gerichtssprecher am Donnerstag mitteilte. Das Gericht sah einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das umgangssprachlich auch als Antidiskriminierungsgesetz bezeichnet wird.
Mit seinen Angaben bestätigte der Sprecher einen Bericht des Berliner "Tagesspiegel". Das Urteil war der Zeitung zufolge bereits im März ergangen, wurde aber erst jetzt bekannt. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, sprach am Donnerstag von einem Urteil "mit Signalwirkung".
Zahnarzt muss 1500 Euro Entschädigung zahlen
Nach Angaben des Gerichtssprechers hatte die junge Frau den Zahnarzt verklagt, nachdem er sie aufgrund der Tatsache abgelehnt hatte, dass sie ihr Kopftuch während der Arbeit nicht ablegen wollte. Laut "Tagesspiegel" war sie bestens für den Ausbildungsplatz zur Zahnarzthelferin qualifiziert. Das Gericht verurteilte den Zahnarzt dem Sprecher zufolge zu einer Entschädigung in Höhe von 1500 Euro: "Der Zahnarzt hat das Recht verletzt, weil er der Klägerin die Stelle verweigert hat, allein weil sie ihr Kopftuch nicht ablegen wollte."
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Das Urteil stelle klar, dass Frauen wegen ihrer religiösen Überzeugung nicht beim Zugang zu Beschäftigung diskriminiert werden dürften, erklärte Lüders. Es sei aus der Beratungspraxis und der Forschung bekannt, dass das Tragen eines Kopftuchs die Chancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich beeinträchtige. Das liege auch daran, dass es bei vielen Arbeitgebern wenig Unrechtsbewusstsein gebe, ergänzte die Leiterin der Bundeseinrichtung, die die Opfer von Diskriminierung berät.
Ausnahmeregelung für Schulen und öffentlichen Dienst
Das Antidiskrimierungsgesetz gilt seit 2006 und soll Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts, religiöser Überzeugungen, ethnischer Herkunft oder Behinderungen verhindern. Es greift als solches auch ins Arbeitsrecht ein und legt fest, dass persönlicher Glauben bei Einstellungen, Kündigungen und anderen Personalentscheidungen in der Privatwirtschaft keine Rolle spielen darf.
Ausnahmen sieht das Gesetz nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle nur in bestimmten Bereichen vor. So dürfen Religionsgemeinschaften oder religiös ausgerichtete Wohlfahrtsverbände für eine Einstellung das Bekenntnis zu ihrer Religion unter bestimmten Bedingungen voraussetzen. Ausnahmen gelten auch im Öffentlichen Dienst, vor allem im Schuldienst. Die Länder können in ihren Schulgesetzen die religiöse Neutralität für Lehrer festschreiben. Verwaltungsgerichte urteilten in den vergangenen Jahren in diversen Prozessen zumeist gegen Klägerinnen, die rechtlich gegen diese Kopftuchverbote vorgingen. (afp)