Berlin. . Der Krankenstand unter Beamten ist besonders hoch. Für Beamtenbund-Chef Peter Heesen ist die Fehlquote eine Folge von Arbeitsplatzabbau und Arbeitsverdichtung im Öffentlichen Dienst. Heesen kritisiert aber auch die Städte und die hohen Gehälter für Vorstande ihrer Gesellschaften.
Die Gründung privatwirtschaftlich organisierter Firmen und Gesellschaften mit staatlichen Mehrheitsbeteiligungen stößt beim Beamtenbund auf scharfe Kritik. Der Vorsitzende Peter Heesen fordert, „Scheinprivatisierungen“ bei Bund, Ländern und Gemeinden per Gesetz zu verbieten. „Diese Scheinprivatisierungen werden nur gemacht, um Kosten, die im Haushalt stören, zu verschleiern und um gleichzeitig bestimmte Leute auszugliedern, damit die endlich mal gut verdienen“, sagte er der WAZ Mediengruppe.
Auch in NRW gibt es auf kommunaler Ebene immer wieder Debatten um die Spitzengehälter in ausgegliederten Gesellschaften. So verdient der Chef der Dortmunder Stadtwerke 370 000 Euro im Jahr, seine vier Kollegen im Duisburger Vorstand zusammen knapp 1,5 Millionen. Rund 200 000 Euro kassiert der Geschäftsführer der „Beteiligungsholding“ der Stadt Mülheim.
Personallücke bei Lebensmittelkontrolle
Peter Heesen, Bundesvorsitzender der Interessenvertretung von 1,2 Millionen Beamten in Deutschland, wirft den öffentlichen Arbeitgebern mangelnde Vorsorge vor. Sie kümmerten sich nicht nur zu wenig um die Gesundheit der Staatsdiener. Vater Staat lasse auch zu, dass er die Kontrolle über wichtige Bereiche wie der Lebensmittelkontrolle verliere: „Ein Mitarbeiter ist für 1000 Betriebe zuständig. Sollen ganze Generationen mit schlechtem Fleisch versorgt werden?“, fragt Heesen.
Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Peter Heesen: Mir geht es prima. Ich habe abgespeckt. Jeder kann etwas Gutes für sich selbst tun.
Der öffentliche Dienst insgesamt fühlt sich offenbar nicht so wohl. Im Bundesdienst fehlen jeden Tag 18 000 Beschäftigte wegen Krankheit. Der Krankenstand beim Staat in NRW liegt bei 6,4 Prozent, in der Wirtschaft insgesamt aber nur bei 4,7 Prozent. Fehlen Staatsdiener deshalb öfter, weil sie sichere Arbeitsplätze haben?
Es gibt sicher den einen oder anderen, der sagt, ich kann mir das leisten. Aber es gab vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten einen massiven Arbeitsplatzabbau, der eine extreme Arbeitsverdichtung und Mehrbelastung zur Folge hat. 1993 hatten wir 5,3 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Heute sind es 3,6 Millionen.
Mit welchen Folgen?
Peter Heesen: Sie müssen mit weniger Personal dieselbe Arbeit leisten. Es sind weniger junge Leute eingestellt worden, die Überalterung nimmt zu. Arbeitnehmer beim Staat sind im Schnitt älter als Arbeitnehmer in der privaten Wirtschaft. Können Sie einen älteren Polizisten, Zoll- oder Schwarzarbeitsfahnder wirklich auf die Jagd nach Rechtsbrechern schicken? In den nächsten zehn Jahren wechseln weitere 760 000 in den Ruhestand. Das alles treibt den Krankenstand hoch. Wir brauchen aktuell ein Konzept, um den öffentlichen Dienst und die Gesundheit dort zu stabilisieren. Sonst ist die Funktionsfähigkeit des Staates bedroht.
Wo tun Lücken besonders weh?
Peter Heesen: Bei Ingenieuren, Technikern, berufsbildenden Schulen. 15 000 Mitarbeiter fehlen in der Finanzverwaltung, 10 000 bei der Polizei, 8000 in den Straßenmeistereien. Die Lebensmittelkontrolle ist völlig unterbesetzt. Ein Mitarbeiter ist für 1000 Betriebe zuständig. Zugespitzt gefragt: Sollen ganze Generationen mit schlechtem Fleisch versorgt werden?
Dagegen gehalten: Sie haben gerade einen sehr guten Tarifvertrag ausgehandelt, der sicher auch den Staatsdienst attraktiver macht. Er wurde auf die Beamten übertragen. Der Stellenabbau beim Bund ist gestoppt. Vater Staat stellt wieder ein.
Peter Heesen: Für den Beschluss bin ich dem Bundestag dankbar. Aber vergessen Sie nicht, unter welchen Bedingungen viele Neueinstellungen im öffentlichen Dienst neuerdings erfolgen. 68 Prozent bekommen nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Und das, wo doch die Arbeitsministerin Ursula von der Leyen die Wirtschaft dafür offen kritisiert, dass deren unsichere Arbeitsplätze direkt in die Altersarmut führen. Eklatanter kann der Widerspruch zwischen Reden und Handeln kaum sein.
Kaum stoppen können Sie aber die Debatte, ob das Millionenheer der Beamten noch nötig ist. Bei der Polizei mit der hoheitlichen Aufgabe? Sicher. Aber müssen Lehrer Beamte sein?
Peter Heesen: Man kann über manche Vorschläge reden. Aber zum einen denken immer mehr ostdeutsche Länder, die bisher nur angestellte Lehrer haben, über eine Verbeamtung nach. Und es gibt ein zweites wichtiges Argument: Die Bildung ist eine essentielle Staatsaufgabe. Schulen müssen streikfrei bleiben, schon aus familien- und arbeitsmarktpolitischen Gründen. Es hat in Griechenland vor wenigen Jahren einen achtmonatigen Lehrerstreik gegeben. Ein ganzer Jahrgang konnte landesweit nicht in die Berufstätigkeit entlassen werden. Das hat enorme Folgekosten.