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Vor allem städtische Mitarbeiter mit Bürgerkontakt leiden immer häufiger unter psychischen Erkrankungen. Schuld daran sind laut Personalrat auch ungehaltene oder aggressiv auftretende Bürger.

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Mit ihrer Krankenquote sorgte die Essener Stadtverwaltung jüngst für überregionales Aufsehen, wenn auch die Dimension durch einen Statistikfehler verfälscht war. Was aber kein Irrtum ist: Immer mehr Stadt-Mitarbeiter leiden unter psychischen Erkrankungen. Schuld daran sind laut Personalrat auch ungehaltene oder aggressiv auftretende Bürger.

„Bei permanenter Erfolglosigkeit schaltet man irgendwann ab“, sagt der Personalratsvorsitzende Kai-Uwe Gaida. Er präzisiert: Gerade städtische Mitarbeiter mit Bürgerkontakt seien immer wieder Beschimpfungen ausgesetzt. Berufliche Erfolgserlebnisse gebe es quasi nicht. „Wir haben es oft mit Menschen zu tun, die nichts mehr zu verlieren haben.“ Eine Diagnose, die auch die Stadt Mülheim jüngst als Ursache für Krankheitsprobleme ausgemacht hatte.

Die angeknackste Psyche verschaffe besonders der Quote an Langzeiterkrankungen einen neuen Negativ-Schub. „So etwas dauert Wochen um Wochen.“ Bei den 3000 körperlich arbeitenden Stadt-Angestellten gebe es die Probleme nicht in dieser Form.

Ärger mit Bürgern belastet, sagt Personalratschef Kai-Uwe Gaida. Foto: Oliver Müller
Ärger mit Bürgern belastet, sagt Personalratschef Kai-Uwe Gaida. Foto: Oliver Müller © Oliver Müller NRZ

Gaida widerspricht Personaldezernent Christian Hülsmann, der kürzlich angezweifelt hatte, dass alle Langzeiterkrankten wirklich so schwer erkrankt sind, dass sie ihrer Arbeit nicht nachgehen können. In einem anderen Punkt stimmt der Personalrat dem Dezernenten zu: Führungsschwäche als Grund für Erkrankungen. „Es ist wichtig, dass bei Ausfällen eine gerechte Verteilung auf die verbliebenen Kollegen entsteht.“

Das betriebliche Gesundheitsmanagement sei noch längst nicht ausgereift, kritisiert Gaida. „Die Stadt bietet alle möglichen Maßnahmen an, aber die greifen nicht richtig.“ Es gebe auch keine ausreichende Analyse der Situation. Wie sich psychosoziale Stress-Faktoren wirklich auswirkten, sei noch nicht klar.

Für das Gesundheitsamt, auch zuständig für die Begutachtung der stadteigenen Langzeitkranken, ist das keine leichte Aufgabe. „Wir sagen nicht, dass wir den Krankenstand verringern, sondern die Gesundheitsquote erhöhen wollen“, sagt Gesundheitsamtsleiter Dr. Rainer Kundt. Seine Amtsärzte müssen bei Beamten nach drei Monaten Fehlzeit beurteilen, ob ein Langzeitkranker wirklich krank ist. „Das ganze Sammelsurium“, bekomme man dann zu sehen, sagt Kundt: Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eben zunehmend auch psychische Probleme.

Krankes Sozialwesen

Auch der BKK-Landesverband hat festgestellt, dass psychische Erkrankungen besonders häufig bei Angestellten im öffentlichen Dienst auftreten. Auf 100 Beschäftigte kommen bundesweit jährlich 209 Tage mit Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen. Nur im Sozialwesen (290 Tage) gibt’s noch mehr psychische Probleme, die zu Ausfällen führen. Zum Vergleich: In der Land- und Forstwirtschaft liegt der Wert bei 79 Tagen (alle Zahlen aus 2009).

Der Personalrat der Stadt will psychisch angeschlagenen Kollegen jedenfalls unter die Arme greifen, auch wenn es um die Wiedereingliederung geht. „Man kann dann nicht mehr überall eingesetzt werden“, sagt Kai-Uwe Gaida. „Wir müssen nach einer passenden Stelle suchen.“ Und das sei gar nicht so einfach.