Brüssel/Berlin. Vor dem EU-Gipfel in Brüssel gibt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel angesichts der Diskussionen um die Zukunft des Euro betont gelassen. Italien und Spanien warf sie „übertriebene Panikmache“ vor. Italiens Premier Monti hatte zuvor vor einer „Katastrophe“ gewarnt, sollte es beim Gipfel keine Einigung geben.

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel geht es ums Überleben des Euro: Ohne Durchbruch kommt die „Katastrophe“, schlägt Italiens Regierungschef Mario Monti die Alarmglocke. Doch in Berlin gibt man sich gelassen und warnt vor „übertriebener Panikmache“. Akute Finanzierungsnöte gebe es in Italien und Spanien nicht, hieß es am Donnerstag in hohen Regierungskreisen. Und deswegen auch keinen Grund zu neuen Abwehrinstrumenten.

Der Streit zwischen den wankenden Südländern und der Nordfraktion um die „eiserne Lady“ Angela Merkel droht das große Gipfelziel zum Scheitern zu bringen:

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Von Christian Kerl und Tobias Blasius

Den Startschuss für den Aufbau einer neuen Währungs- und Wirtschaftsunion.

Italien und Spanien fordern neue Sofortmaßnahmen

Wenn die Italiener entmutigt würden, könnte das „politische Kräfte“ freisetzen, die die europäische Integration und den Euro „zur Hölle fahren lassen“, sagte Monti bei seiner Ankunft in Brüssel am Mittwochabend. Eine Anspielung auf Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der sich für Neuwahlen in Stellung bringt. Italien habe große Opfer gebracht und die Schulden unter Kontrolle bekommen. Dennoch stiegen die Zinsen immer höher, sagte Monti.

Gemeinsam mit seinem spanischen Kollegen Mariano Rajoy verlangt er in Brüssel Sofortmaßnahmen zur Kriseneindämmung. Rom will ein Aufkaufprogramm für Staatsanleihen, gestützt von der EZB. Spanien fordert direkte Bankenhilfen aus dem Rettungsschirm, um sich aus der Abwärtsspirale von Bankenproblemen und Staatsschulden zu befreien. Beide unterstützen auch den viel weitergehenden Ruf nach Euro-Bonds. „Die Zinsen für Spanien sind zu hoch“, darüber müssten sich die anderen Staaten bewusst sein, sagte Rajoy.

Euro-Bonds für Bundesregierung ausgeschlossen

Gegen den massiven Druck der Südfraktion wehrt sich Merkel: Bei ihrem Eintreffen in Brüssel am Donnerstag sagte sie, im Zentrum der Debatte stehe „das Paket für Wachstum und Beschäftigung“, das schon auf den vorangegangenen Gipfeln vorbereitet worden sei und nun „reif“ sei zur Verabschiedung. Zu den Forderungen aus Rom und Madrid zunächst kein Wort. Dafür untermauerten Regierungskreise in Berlin die deutsche Haltung: Euro-Bonds seien schlicht nicht machbar. Denn „wie das überhaupt zu organisieren wäre, dafür gibt es keine Antworten“.

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Und auch die Begehrlichkeiten nach direkter Bankenhilfe oder neuen Anleihenaufkäufen wurde eine Abfuhr erteilt. Es könne nicht sein, „in jeder Situation die Instrumentarien neu zu erfinden“. Die Regierung kritisierte ein „eigenartiges Missverhältnis“, weil das Instrumentarium erst mühsam beschlossen und ratifiziert werde. „Und dann erleben wir eine große Scheu, sich dieses Instrumentariums zu bedienen“.

Merkel und Hollande fordern „mehr Europa“

Allerdings öffnete Berlin die Tür in Richtung einer Banken-Union mit direkter Hilfe für die Institute. Erste Etappe müsse eine europäische Aufsicht mit übernationaler Kontrolle und Durchgriffsrechten sein, hieß es in den Regierungskreisen. Dafür soll der Gipfel einen Auftrag erteilten. Und „wir sind bereit, das schnell und sorgfältig zu prüfen.“ Und wenn die Aufsicht stehe, dann müsse man auch die Frage nach „anderen Formen“ der Bankenhilfe stellen.

Merkel hatte sich am Vorabend mit ihrem französischen Kollegen François Hollande in Paris abgestimmt. Beide forderten dabei ein „Mehr an Europa“. Doch von einer Einigung ist man weit entfernt. Grundlage für den Einstieg in eine „echte Währungs- und Wirtschaftsunion“ ist eine Vision, die EU-Ratschef Herman Van Rompuy zusammen mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, EZB-Präsident Mario Draghi und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker auf den Tisch gelegt hat.

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Durchbruch auf dem Gipfel unwahrscheinlich

Das Papier hat aus Sicht Deutschlands jedoch eine erhebliche Schieflage, weil darin wenig über eine schärfere Haushaltskontrolle und bindende Reformen steht, dafür aber viel über den Einstieg in eine Schuldenteilung. Dass Berlin den Bericht schon zerpflückt hat, erzürnt Eurogruppenchef Juncker. „Es hilft, wenn man ihn in Gänze abwiegen und kommentieren würde, anstatt sich nur auf einen Aspekt zu konzentrieren“, sagte er in Brüssel. Euro-Bonds stünden „nicht im Mittelpunkt der Überlegungen der vier Präsidenten“.

Der Streit über die Ziele - und die Etappen dorthin - macht einen Durchbruch auf dem Gipfel wohl unmöglich. Zwar hofft man in Berlin auf eine „klare Perspektive“, um auch ein Signal an die Märkte zu setzen. Aber mehr als ein vager Auftrag an die „Big Four“, ihr Papier zu überarbeiten und bis Oktober einen neuen Zwischenbericht vorzulegen, wurde nicht erwartet. Das konkreteste Ergebnis könnte ein Auftrag an die EU-Kommission werden, bis zum Herbst einen Vorschlag zum Aufbau einer Banken-Aufsicht vorzulegen. (dapd)