Dortmund. . In der Europapolitik sind Deutschland und Frankreich aufeinander angewisenen, meint der Politologe Frank Baasner. Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag sprach die WR mit dem Direktor des Deutsch-Französischen Instituts über das Gespann Merkel-Hollande.
Ein Europa der Staaten oder ein europäischer Staat – in dieser Frage wird es zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs neuem Präsidenten Francois Hollande beim nächsten EU-Gipfel zum Schwur kommen, meint Prof. Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts. Florentine Dame hat den Politologen gefragt, was das Duo „Merkollande“ für Europa heißt.
Herr Baasner, nach seinem Sieg rief Hollande einen Neustart für Europa aus. Geht er beim Gipfel auf Konfrontationskurs zu Merkel?
Frank Baasner: Von einem Neustart zu reden, war ein Wahlkampfmanöver. Hollande hatte sich bewusst von Sarkozys Fixierung auf ein idealisiertes deutsches Modell abheben wollen. Er hat stärker auf die Stimme Frankreichs im Eurokurs gesetzt, um den nationalen Stolz seiner Landsleute zu kitzeln. Er ist aber schnell auf realistischere Verhandlungsoptionen zurückgekommen.
Merkozy ist zum geflügelten Wort für deutsch-französische Europapolitik geworden. Kann der Gipfel der Beginn des Duos „Merkollande“ sein?
Baasner: Auch wenn das Gespann anders aussehen wird, die beiden können gar nicht anders, als sich in ein Geschirr spannen lassen – ob sie wollen oder nicht. Für Frankreich besteht sowieso nur die Chance weiter in der ersten Liga zu spielen, wenn es sich eng an Deutschland orientiert. Andernfalls würde Frankreich zurückfallen in den Block der Südländer. Und: Deutschland kann zwar vor Kraft gerade kaum laufen, aber es ist wie im Fußball: Borussia Dortmund kann auch nur gut spielen, weil es 17 andere Mannschaften gibt. Ohne Frankreich stünde das Deutschland sehr alleine da. Das wäre politisch, wie wirtschaftlich fatal.
Scheitert „Merkollande“, scheitert Europa, sozusagen?
Baasner: Merkel und Hollande werden ein solches Scheitern nicht zulassen. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass sie verschiedener Meinung sind. Sie werden aber durch Verhandlungen zu Ergebnissen kommen. Das deutsch-französische Verhältnis stand immer für die Fähigkeit Europas, durch langwierige Gespräche aus schweren Krisen herauszukommen.
Was ist aus ihrer Sicht der wichtigste Punkt auf der Verhandlungsagenda?
Baasner: Europa muss sein Grundparadox lösen: Da ist einerseits die traditionelle Position der Franzosen, für die Europa eine Sache zwischen Nationalstaaten ist. Das geht gegen die Haltung jener, die durch mehr europäische Institutionen die Integration vorantreiben wollen, bis am Ende ein europäischer Staat steht. Wir stehen irgenwo dazwischen. Unter dem Druck der Situation kommt es jetzt zum Schwur. Dass Merkel und Schäuble sich klar für eine stärkere politische Union aussprechen, ist endlich eine klare Ansage, auf die Frankreich jetzt regieren muss. Wer sich für Eurobonds ausspricht, wie Hollande, muss auch Souveränität abgeben.
Kann Hollande das seiner Grande Nation tatsächlich zumuten?
Baasner: Er hat alle notwendigen Mehrheiten: Im Senat, in fast allen Regionen und vielen großen Städten regieren die Sozialisten. Er kann die Energie der frischgewonnen Wahl dazu nutzen, um den Franzosen jetzt zu sagen: Wir schreiben dieses neue Europa jetzt mit, und zwar nicht mehr, indem wir uns bockend hinstellen, sondern indem wir uns in den großen Fragen auch auf Solidaritätstransfers einlassen und schlussendlich auch in Richtung gemeinschaftlicher Haftung gehen.
Würde er sich mit einem solchen Kurs nicht unbeliebt machen?
Baasner: Die französische Gesellschaft hat sich aber auch gewandelt: Das Bild, was die Deutschen von den ewig streikenden, reformunwilligen Franzosen haben, stimmt nicht mehr. Unter Sarkozy sind viele Reformen angestoßen worden, die die Gesellschaft auch mit trägt.