Berlin. . Bund, Länder und Kommunen haben beim Thema Fiskalpakt höchst unterschiedliche Interessen. Jeder achtet darauf, nicht zu viel für die Euro-Rettung zahlen zu müssen. Auch in den Parteien gehen die Meinungen auseinander. Dabei stehen in diesen Tagen wichtige Abstimmungen an.
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele zog alle Register gegen die Euro-Rettungspläne, dem Mix aus Sparvertrag und neuen Milliardenhilfen: „Der Fiskalpakt ist die Fortsetzung der gnadenlosen Schuldenbremse, auch der Rettungsfonds ESM ist keine Lösung“. In wenigen Monaten würden erneut hunderte Milliarden Euro Rettungsgelder notwendig, sagte Ströbele unter dem Beifall vieler Delegierter des kleinen Grünen-Parteitags in Berlin.
Gegenwind der Basis
Mit seinen Warnungen ist er nicht allein: Die Grünen-Führung bekam für ihre Festlegung, nach den Zugeständnissen der Bundesregierung dem Fiskalpakt und dem ESM am Freitag im Bundestag zuzustimmen, gestern unerwartet starken Gegenwind der Basis. Zwar lobte Fraktionschef Jürgen Trittin die Zusagen vor allem zur Finanzmarktsteuer als Erfolg: „Das ist so, als wenn der Papst zum Christoper Street Day käme“, so Trittin. Doch am Ende gab es nur eine hauchdünne Mehrheit für die Linie der Parteiführung; vor allem die Weigerung der Regierung, sich für einen gemeinsamen Schuldentilgungsfonds der Euro-Länder stark zu machen, stieß auf Kritik.
Im Bundestag ist zwar dennoch eine Zwei-Drittel-Mehrheit sicher, aber es wird Gegenstimmen von Grünen und auch aus der SPD geben. Dabei werden deren Parteispitzen nicht müde, das ergänzende Wachstumspaket zu loben, das sie mit der Regierung ausgehandelt haben: Schon auf dem EU-Gipfel am Donnerstag will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Einführung einer Finanzmarktsteuer auch in einer kleinen Gruppe von EU-Staaten stark machen, Ende 2012 sollen die Weichen gestellt sein. Und Merkel macht sich, so ist es vereinbart, beim Gipfel auch für wachstumsfördernde Investitionen stark, drängt auf ein Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit. Ein 130-Milliarden-Wachstumsprogramm ist auf dem Weg.
Kommunen sehen den Bund in der Pflicht
Die Bundesländer, die am Freitag ebenfalls mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen müssen, hatten indes eigene Forderungen. - bei einer Spitzenrunde im Kanzleramt setzten sie sich gestern nur teilweise durch, dennoch ist die Zustimmung auch der Länder am Freitag nun gesichert. Die wichtigste Zusage hatte schon vorher festgestanden: Der Bund sagt den Ländern zu, die Gesamthaftung für die Einhaltung der europäischen Sparauflagen zu übernehmen - eventuelle Sanktionen von Brüssel zahlt der Bund. Das Problem: Die nationale Schuldenbremse gilt nicht für die Kommunen, der Fiskalpakt schon - Bund, Länder und Kommunen dürfen dann zusammen nur noch maximal Schulden in Höhe von 0,5 Prozent des Wirtschaftswachstums machen.
Die Länder fürchteten, dass sie für das Haushaltsgebaren der Kommunen zum Teil selbst gerade stehen müssen und ihr Spielraum kleiner wird. Bei weiteren Punkten zur Entlastung allerdings konnten sich die Länder nur teilweise durchsetzen: Für die zentrale Forderung, der Bund solle schrittweise die Eingliederungshilfen für behinderte Menschen übernehmen, die jährlich rund 12 bis 13 Milliarden Euro ausmachen, gab es eine eher vage Zusage: In der nächsten Wahlperiode ist ein neues Gesetz geplant, das die Länder um vier Milliarden Euro jährlich entlasten würde - dazu soll es jetzt Vorbereitungen, aber keine Entscheidungen geben.
Länder sollen Forderungen nicht überziehen
Daneben sagt der Bund unter anderem einmalig 500 Millionen Euro für 30.000 zusätzliche Kita-Plätze zu und 75 Millionen jährlich mehr für Kita-Betriebskosten, über Finanzhilfen für den Nahverkehr soll im Herbst weiter verhandelt werden. „Kein Maximalergebnis“, murrten die Ministerpräsidenten nach den Verhandlungen. Doch die Bundesregierung hatte zuvor klargemacht, dass die Länder mit den Forderungen nicht überziehen dürften. Um den Ernst der Lage zu illustrieren, ließ das Finanzministerium das Ergebnis interner Untersuchungen durchsickern, was beim Auseinanderbrechen der Euro-Zone droht: Die Folgen wären „katastrophal“, die Wiedereinführung der D-Mark würde im ersten Jahr einen Wachstumsrückgang von 10 Prozent bedeuten, die Zahl der Arbeitslosen würde auf über 5 Millionen steigen, zitiert der „Spiegel“ aus dem Papier. Daran gemessen, meint das Ministerium, „erscheint eine noch so teure Rettung als das kleinere Übel.“