Berlin. . Verbraucherschützer beklagen irreführende Werbung und befürchten eine Abwärtsspirale der Qualität von Lebensmitteln. Deshalb fordern sie eine klarere Kennzeichnung – etwa bei Wildwurst, die nur wenig Wild enthält.
Immer wieder wirbt die Lebensmittelindustrie um das Vertrauen der Kunden. Doch die Reklamesprüche halten oft nicht, was sie versprechen. Mittlerweile hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) auf seiner Internetseite Lebensmittelklarheit.de 200 irreführende Produkte aufgeführt.
Der Schokopudding „in Love“ enthält zum Beispiel gerade einmal drei Prozent Schokolade. In einer „Rote Beeren Fruchtschnitte“ findet sich lediglich Saftkonzentrat von Himbeeren oder die Wildwurst enthält nur ein Drittel Fleisch aus dem Wald, der Rest kommt vom Schwein.
Der vzbv ist überzeugt, dass die Kunden im Supermarkt die Qualität von Müslis, Milchprodukten oder Fertiggerichten gar nicht mehr selbst einschätzen können. „Verbraucher haben nur den Preis als verlässliche Angabe“, glaubt vzbv-Chef Gerd Billen, „sie fühlen sich in die Irre geführt.“
Himbeer-Vanille-Tee ohne Himbeeren und Vanille
Zum Beispiel, wenn in einem „Himbeer-Vanille-Tee“ aus „natürlichen Zutaten“ zwar viele Früchte, Blätter und Schalen enthalten sind, nur keine Himbeeren und keine Vanille. Letztere werden nur durch Aromen imitiert. Auch werden die wenigsten beim „Louisiana Flusskrebs“ von „Büsumer Feinkost“ auf Schalentiere aus chinesischer Binnenfischerei schließen.
Viele Kunden legten zudem Wert auf die regionale Herkunft von Produkten oder auf den Tierschutz. Manche Hersteller gaukelten auf der Verpackung eine heile Welt vor, bei der die Tiere zum Beispiel glücklich auf der Wiese stehen. „In Deutschland stehen mehr Kühe im Stall als auf der Weide“, sagt die Autorin der Studie, Anke Zühlsdorf.
Die höhere Qualität der Weidemilch lassen sich Verbraucher gerne auch etwas mehr kosten. Doch der Begriff wird von den Molkereien ganz unterschiedlich ausgelegt. Hansano verweist lediglich darauf, dass die Milch aus norddeutschen Grünlandregionen stammt. Bei Campina müssen die Kühe an 120 Tagen im Jahr wenigstens sechs Stunden lang weiden. Der Kunde kann diese Unterschiede nicht kennen und daher keine vernünftige Entscheidung treffen.
Werbung mit nicht existenten Qualitätsmerkmalen
Mit der Überforderung geht ein Vertrauensverlust einher. Laut Zühlsdorf entsteht durch die Werbung mit nicht existenten Qualitätsmerkmalen sogar eine Spirale, bei der die Produkte immer schlechter werden. Denn ehrliche Firmen hätten im Wettbewerb gegen die Billigheimer keine Chance mehr und müssten selbst weniger gute Zutaten verwenden.
Deshalb fordert der vzbv weitere staatliche Siegel, etwa für regionale Produkte oder Tierschutz. Auch wünscht er, dass Lebensmittel so bezeichnet werden, dass der Kunde weiß, was er kauft. Dafür erarbeitet derzeit eine Kommission das „Lebensmittelbuch“. Dort sitzen Lebensmittelkontrolleure zusammen mit der Wirtschaft, Verbraucherschützern und Forschern. Doch jede Gruppe kann ein Veto einlegen. So kann die Wirtschaft einschränkende Verordnungen verhindern.