Essen. . Das Land Baden-Württemberg hat sich bereiterklärt, vorläufig die gesamte Bürgschaft für die insolvente Drogeriekette Schlecker zu übernehmen. Der Ausschuss für Finanzen stimmte der Übernahme einer Garantie in Höhe der benötigten 70 Millionen Euro zu. Bedingung ist, dass verbindliche Zusagen anderer Länder in Höhe von 45 Millionen Euro bis Donnerstagmorgen 8 Uhr vorliegen.
Dramatische Stunden für 11.000 von sofortiger Arbeitslosigkeit betroffene Mitarbeiter bei der insolventen Drogeriekette Schlecker. Das Land Baden-Württemberg erklärte sich am späten Mittwochabend bereit, vorläufig die gesamte Bürgschaft für die insolvente Drogeriekette Schlecker zu übernehmen. Der Ausschuss für Finanzen stimmte der Übernahme einer Garantie in Höhe der benötigten 70 Millionen Euro gegenüber der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu. Der Kredit dient der Einrichtung einer Transfergesellschaft zur Aufnahme von Schlecker-Beschäftigten. Bedingung ist, dass verbindliche Zusagen anderer Länder in Höhe von 45 Millionen Euro vorliegen. Die Zusagen müssten laut dem Insolvenzverwalter bis Donnerstagmorgen um 8 Uhr vorliegen.
Dies ist der vorläufige Höhepunkt eines Schauspiels, bei dem die Schlecker-Beschäftigten zum Spielball des deutschen Föderalismus geworden sind. Über ihr Schicksal lieferten sich die 16 Bundesländer am gestrigen Mittwoch ein beispielloses Hin und Her. Das Gerangel um die Transfergesellschaft geriet zum Wettrennen gegen die Zeit, denn ohne eine Einigung droht rund 11 000 Schlecker-Beschäftigten die sofortige Kündigung.
FDP-Minister aus Sachsen und Niedersachsen dagegen
Die große, einvernehmliche Lösung war an zwei FDP-Politikern gescheitert. Die beiden liberalen Wirtschaftsminister Jens Bode aus Niedersachsen und Sven Morlok aus Sachsen bezweifeln, ob Schlecker überhaupt saniert werden kann. Und deshalb auch, ob die Drogeriekette den staatlichen 70-Millionen-Euro-Kredit für die Transfergesellschaft wird zurückzahlen können. Damit bremsten sie die 14 anderen Bundesländer aus.
Deshalb wollte Baden-Württemberg mit Bayern und Nordrhein-Westfalen die Bürgschaft im Dreierbund übernehmen. Weil viele andere Länder ihre Zusage daran geknüpft hatten, dass alle mitmachen, hätte jedes einzelne Land neu beraten und beschließen müssen. Weil das im Angesicht der gnadenlos tickenden Uhr unmöglich gewesen wäre, gingen die großen Flächenländer voran.
Doch am Abend drohte auch Bayern abzuspringen. Man könne seinen Anteil nicht verdoppeln, hieß es aus dem Finanzministerium in München. Bayern sollte ursprünglich für 10,7 Millionen Euro bürgen, NRW für 12,5 und Baden-Württemberg für 13,1 Millionen Euro. Zusammen ist das gut die Hälfte der benötigten 71 Millionen.
Die Entscheidung im Stuttgarter Landtag nahm gestern im Laufe des Tages immer dramatischere Züge an. Bis zuletzt wurde versucht, Niedersachsen und Sachsen doch noch ins Boot zu holen. Doch der liberale Wirtschaftsminister ließ sich nicht umstimmen.
Dies, obwohl Bürgschaften für Massekredite wie diesen als sehr risikoarm gelten. Nach einem Insolvenzverfahren werden sie mit Vorrang bedient und selbst die ansonsten kritischen Wirtschaftsprüfer von PwC kamen zu dem Schluss, die 70 Millionen Euro seien durch Verkäufe sehr wahrscheinlich erlösbar.
Die Niedersachsen „Trittbrettfahrer“ schimpfen lassen
Nun müssen sich die Niedersachsen „Trittbrettfahrer“ schimpfen lassen. Dieses Wort fiel in Stuttgart zwischen den Verhandlungen, weil die niedersächsischen Schlecker-Mitarbeiterinnen trotz des „Neins“ ihrer Regierung in die Transfergesellschaft wechseln könnten – dank der Bürgschaften anderer Länder.
Niedersachsens FDP-Mann Bode hatte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz zuvor hart attackiert. Dessen Zahlen seien „unzuverlässig“, sein Finanzplan fraglich. Geiwitz hatte dies zurückgewiesen und betont, wie wichtig die Transfergesellschaft auch für die Chancen der verbliebenen Schlecker-Filialen sei. Bei der Suche nach einem neuen Geldgeber sind tausende drohende Kündigungsschutzklagen nicht eben von Vorteil.
Doch die Zwischentöne aus Sachsen und Niedersachsen ließen ahnen, dass es weniger um Schlecker denn um einen Grundsatz-Disput ging. Am Ende spitzt es sich auf die Frage zu: Darf der Staat den Großen helfen, wenn täglich zig Kleine still und leise verschwinden? In NRW würde durch die Transfergesellschaft rund 2000 Beschäftigten der sofortige Sturz in die Arbeitslosigkeit zum 1. April erspart.
Das Insolvenzverfahren ist seit gestern auch offiziell eröffnet. Schlecker hat 2200 der deutschlandweit 5300 Filialen bereits geschlossen. Nun muss der Insolvenzverwalter versuchen, die verbliebenen Filialen aus der Verlustzone zu führen. Ohne einen neuen Investor wird das schwer.
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