Frankfurt/M. Im Streit um das sogenannte Vorfeld-Personal am Airport Frankfurt vertiefen sich die Gräben. Der Arbeitgeber fühlt sich erpresst. Der Betriebsrat spricht angesichts der horrenden Forderungen für 200 Beschäftigte vom “Egoismus“ einer Sparten-Gewerkschaft. Die Bundesregierung soll eingreifen.

Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) setzt im festgefahrenen Tarifstreit mit dem Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport weiter auf Eskalation. In der Nacht zum Dienstag verlängerte die Gewerkschaft den Streik der knapp 200 Vorfeldbeschäftigten an Deutschlands größtem Flughafen bis Freitag um 23.00 Uhr, wie die GdF mitteilte. Erst am Montag hatte die Gewerkschaft den am frühen Morgen begonnenen Arbeitskampf von 24 auf 48 Stunden ausgedehnt.

Am Montag waren vier Fünftel der geplanten 1.250 Flüge am Rhein-Main-Flughafen abgefertigt worden. Am Dienstag sollte die Quote noch besser werden. Die Lufthansa kündigte an, nach der Annullierung von 200 Flügen am Montag am Dienstag lediglich 160 Flüge streichen zu wollen. Fraport setzt als Ersatz für die streikenden Vorfeldlotsen und -kontrolleure auch kurzfristig geschultes Personal ein. Die Gewerkschaft zweifelt daher an der Sicherheit der Flugabfertigung.

Streitparteien werfen sich Kompromisslosigkeit vor

Beide Seiten werfen sich weiterhin Kompromisslosigkeit vor und reden noch nicht einmal miteinander. Umstritten ist unter anderem die Höhe der

GdF-Forderungen im Schlichterspruch, den Fraport abgelehnt hatte. Der Flughafenbetreiber spricht von überzogenen Lohnerhöhungen von bis zu 70 Prozent. Die Gewerkschaft weist diese Darstellung zurück. Es gehe um Lohnsteigerungen von "maximal 28 Prozent". Aus Sicht des Flughafenbetreibers war der Schlichterspruch auf den Konflikt mit der GdF konzentriert. "Wir müssen aber gucken, wie das in das Gehaltsgefüge von Fraport passt", so Fraport-Sprecher Mike Schweitzer. Die Forderungen der GdF sprengten das Gehaltsgefüge für die gut 19.000 Flughafen-Mitarbeiter. Das Vorfeldpersonal ist eine kleine Berufsgruppe, hat aber eine zentrale Rolle auf dem Flughafen, weil sie alle Bewegungen der Flugzeuge im Park und Rangierbereich am Boden eines Airports regeln. Der Arbeitskampf der rund 200 Beschäftigten kann deshalb Starts und Landungen stark behindern.

Der Konflikt reißt einen tiefen Graben ins Lager der Arbeitnehmervertreter. Auch der Fraport-Betriebsrat hält die Forderungen der GdF für "egoistisch" und fürchtet um den Konzernfrieden: "Für die Angemessenheit von Lohnforderungen ist es Indiz genug, dass in vielen anderen Branchen derzeit fünf bis sieben Prozent für die anstehenden Verhandlungen gefordert werden", sagt der Konzernbetriebsratsvorsitzende Edgar Stejskal. Er könne "nur appellieren, dass die GdF wieder zur Besinnung kommt".

Löhne wie hochqualifizierte Berufsgruppen

Die GdF wolle das Lohnniveau der 200 Vorfeld-Beschäftigten in Bereiche treiben, die normalerweise hochqualifizierten Berufsgruppen wie Ingenieuren gezahlt würden, moniert Stejskal. Bei den Mitarbeitern gehe es aber um "Qualifikationen, für die kein Fachhochschulstudium nötig" seien. Als Beispiel nennt er die Fahrer der Vorfeldaufsicht, welche die schwarz-gelben Fahrzeuge mit den "Follow me!"-Aufschriften fahren. Dies sei "eine Tätigkeit, die angelernt werde" und insofern "leicht ersetzbar".

Wenn immer mehr kleine Berufsgruppe einen separaten Tarifvertrag für sich auszuhandeln versuchten, werde der einheitliche Flächentarifvertrag für den Fraport-Konzern zerbrechen, warnt Stejskal. "Es kann nicht sein, dass eine kleine, selbsternannte Elitetruppe ihre Forderungen auf Biegen und Brechen durchdrückt. Das ist Egoismus".

Den Vorwurf der Ersetzbarkeit einzelner Tätigkeiten im Vorfeld will die GdF nicht gelten lassen. Vorfeldkontrolleure etwa, die Flugzeuge eine Parkposition zuweisen, müssten eine zweijährige Ausbildung absolvieren, sagt er. Insofern herrschten in dem Bereich hohe Anforderungen. Unverständnis wegen Lohnerhöhungen habe er in der Belegschaft zuletzt nur an einer Stelle bemerkt: Das sei das Gehaltsplus gewesen, dass sich die Konzernspitze in den letzten Jahren genehmigt habe.

Sparten-Gewerkschaften sollen gebremst werden

Der Streit um die kleine Gruppe der Fraport-Beschäftigten hat auch politische Dimensionen: Arbeitgeber-Verbände fordern von der Bundesregierung ein Einschreiten, um eine zunehmende Zersplitterung des Tarifsystems, eine Zunahme von Streiks ausgelöst durch Einzelforderungen und ein Auseinanderdriften der Arbeitnehmerlöhne zu verhindern. Letztlich geht es aber auch um die Furcht der Unternehmen, bei Tarifkonflikten durch kleine Gruppen von Beschäftigten in Schlüsselpositionen zunehmend erpressbar zu werden. Die Regierung müsse, so die Arbeitgeberverbände, den bisher in Deutschland übliche Flächentarifvertrag gesetzlich schützen.

Auslöser der Debatte ist ein Urteil vom Juni 2010, in dem das Bundesarbeitsgericht von dem Grundsatz abgerückt war, wonach in einem Betrieb durchgängig ein Tarifvertrag gelten soll. Diese Regel sei mit dem Grundgesetz und der Koalitionsfreiheit (Artikel 9) nicht vereinbar. Darin wird unter anderem die Bildung von Gewerkschaften (und Arbeitgeberverbänden) "für jedermann und für alle Berufe gewährleistet" – und den Arbeitnehmervertretungen zugleich ein Streikrecht eingeräumt. Auch aus diesem Grund tut sich auch die Bundesregierung bisher schwer damit, das Vorgehen der Sparten-Gewerkschaften gesetzlich einzubremsen. Das gleiche gilt für die Gewerkschaften: Verdi und DGB setzen sich für die Tarifeinheit ein - viele Mitglieder fürchten allerdings Einschränkungen des Streikrechts, wenn es neue gesetzliche Tarif-Regelungen geben sollte Projekt fallen.

Als Tarifpartner anerkannte Sparten-Gewerkschaften sind neben GDL und GdF die Pilotenvereinigung Cockpit, die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo sowie die Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Sie hatten in der jüngeren Vergangenheit hohe Tarifabschlüsse durchsetzen können. (afp/dapd/rtr)