Essen. . Das finnische Unternehmen Outokumpu kauft Nirosta, die Edelstahlsparte von Thyssen-Krupp. Damit ist der Abschied des “nie rostenden Stahls“ aus der deutschen Herstellung wohl beschlossene Sache. Für Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger ist das ein Erfolg - für die Mitarbeiter nicht.
Der Aufsichtsrat von ThyssenKrupp hat am Dienstag dem milliardenschweren Verkauf der Edelstahlsparte an den finnischen Outokumpu -Konzern zugestimmt. Der Konzern wolle nun die Transaktion bis Ende 2012 über die Bühne bringen, teilte das Unternehmen nach der Sitzung des Kontrollgremiums am Abend zudem mit. ThyssenKrupp solle einen Sitz im Verwaltungsrat von Outokumpu erhalten. "Wir sind vom mittel- bis langfristigen Wertsteigerungspotenzial überzeugt."
Krupps rostfreier Stahl wird somit finnisch und ab 2017 wohl nicht mehr in Deutschland gegossen. Das sieht die Einigung zwischen Thyssen-Krupp, Outokumpu und IG Metall vor. Genau 100 Jahre nach Patentanmeldung des „nie rostenden“ Krupp-Stahls übernehmen die Finnen die urdeutsche Nirosta und schmieden mit ihr den neuen Edelstahl-Weltmarktführer. Dafür schlossen sie betriebsbedingte Kündigungen bis 2015 aus und boten Thyssen-Krupp 2,7 Milliarden Euro.
Das Verhandlungsergebnis ist ein klassischer Kompromiss: Die Arbeitsplätze sind sicher – aber nur für vier Jahre. Von den beiden deutschen Schmelzöfen wird der Krefelder 2013 geschlossen, in Bochum wird „mindestens bis Ende 2016“ Stahl gekocht. Dann soll eine Wirtschaftlichkeitsprüfung über den Standort entscheiden.
Outkumpu erhöht seine Absatzchancen
Outokumpu erwirbt mit der Edelstahlsparte Inoxum und ihrer Weltmarke Nirosta neue Absatzchancen, das technische Wissen von Nirosta und dazu die Chance, seine Werke besser auszulasten. Im harten Edelstahl-Geschäft kann das zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden.
Wie wird das neue finnisch-deutsche Unternehmen aussehen? Outokumpu übernimmt Inoxum als Ganzes. Dazu gehört Nirosta mit Stahl- und Walzwerken in Deutschland, Italien, China, USA und Mexiko. Zweite Inoxum-Säule ist der Spezialwerkstoff-Hersteller VDM mit Werken in Unna, Siegen, Werdohl und Altena. Sie schreiben Gewinne und stehen nicht zur Disposition. Outokumpu bringt Werke in Finnland, Schweden und Großbritannien mit ein.
Nur der Ofen in Bochum bleibt übrig
Die Produktion des Rohstahls, also das Schmelzen, wird in Europa langfristig in Finnland und Italien konzentriert. In Deutschland bleibt nach 2013 nur der Ofen in Bochum. Die Weiterverarbeitung des Rohstahls findet zunächst in Warmbandwerken statt. In Deutschland übernimmt diesen zweiten Produktionsschritt bisher die Schwester Thyssen-Krupp Stahl. Outokumpu hat eigene Warmbandwerke in Skandinavien.
Die Endfertigung in den Kaltwalzwerken soll in Deutschland in Krefeld bleiben. Weil dort auch die Technologieführerschaft von Nirosta begründet liegt, soll Krefeld zum Entwicklungszentrum des neuen Konzerns ausgebaut werden. Outokumpu hat Investitionen von 20 Millionen Euro zugesichert.
Die Finnen übernehmen 11.000 Mitarbeiter von Inoxum
Outokumpu übernimmt gut 11 000 Beschäftigte von Inoxum, mit der eigenen Belegschaft sind es 19 000. Doch dabei wird es nicht bleiben. Bereits vergangenen Herbst hat Outokumpu ein Sparprogramm gestartet, bei dem 1300 Stellen gestrichen werden, die meisten davon in Schweden. In Deutschland sollen in den kommenden Jahren 850 Arbeitsplätze wegfallen, kündigten die Finnen gestern an. Darunter allein 500 Stahlkocher aus Krefeld.
Viele von ihnen fuhren gestern zum Thyssen-Krupp-Hauptquartier nach Essen, um ihrer Enttäuschung Luft zu machen. So mancher verdrückte auch eine Träne. Doch Thyssen-Krupp hat zugesagt, bis zu 600 Nirosta-Mitarbeiter in seinen Konzern zu holen. Die dann noch überzähligen 250 Stellen könnten über die normale Fluktuation abgebaut werden, hieß es gestern.
Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger kann Erfolg feiern
Für Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger ist das Geschäft ein großer Erfolg. Er kommt mit dem Umbau des Konzerns zu einem Technologie-Unternehmen voran und hat einen unerwartet hohen Preis erzielt. Inoxum wird mit 2,7 Milliarden Euro bewertet, zuvor hatten Analysten das Unternehmen zwischen einer und zwei Milliarden taxiert.
„Keinen Anlass zum Jubeln“ sah dagegen IG-Metall-Vorstand Bertin Eichler, Aufsichtsrats-Vizechef bei Thyssen-Krupp. Krefelds Betriebsratschef Bernd Kalwa sprach von einem „herben Einschnitt für den Standort Krefeld“. Die Schließung des dortigen Stahlwerks sei „nicht zu verhindern gewesen“, erklärte Verhandlungsführer Marc Schlette. Das wichtigste sei am Ende aber gewesen, betriebsbedingte Kündigungen für vier Jahre auszuschließen und wenigstens eine Flüssigphase für die Nirosta zu erhalten.