Bochum. Ein Demonstrationszug von mehreren tausend Nirosta-Mitarbeitern zog am Freitagvormittag durch Bochum. Betriebsrat und IG Metall fordern den Erhalt der Arbeitsplätze in Bochum und Krefeld. Bürgermeisterin Ottilie Scholz verspricht den Demonstranten Unterstützung durch die Stadt. Der Bericht.
Dutzende schwere Lastwagen stauen sich an diesem Morgen an der Essener Straße vor Tor Süd von Thyssen Krupp. Nichts geht mehr. Seit sechs Uhr in der Früh schon brennen die Holzscheite in den durchbohrten Ölfässern. Immer wieder in den vergangenen Jahren, ein Zeichen, dass es um Arbeitsplätze geht.
Ein Lastwagenfahrer sitzt fluchend auf seinem Bock. Er will Stahl-Coils abholen. Da ruft ihm einer der aufgebrachten Stahlarbeiter zu: „Was willst Du überhaupt? Wenn hier bald dicht ist, brauchst Du überhaupt nicht mehr zu kommen.“ Der Mann zuckt mit den Schultern, das hat gesessen.
Es geht "ans Eingemachte"
Da dröhnt schon die Stahlglocke. Es ist kurz nach elf, als sich der Zug vom Tor in Bewegung setzt. Da sind es rund 600 Stahlarbeiter, die komplette Belegschaft von Nirosta, unterstützt von etlichen Arbeitern des benachbarten Walzwerkes. Mitten drin steht auch Herbert Kastner, 20 Jahre lang war er Betriebsratsvorsitzender bei Thyssen-Krupp-Stahl: „Seit Anfang der Woche die ersten Nachrichten über den geplanten Verkauf von Nirosta an die Finnen bekannt wurden, hab ich kaum noch ein Auge zugetan“, sagt der 64-Jährige. Für ihn ist es selbstverständlich. dabei zu sein, wo es jetzt ums Eingemachte geht.
Je näher die Kreuzung mit der Wattenscheider Straße ins Blickfeld rückt, desto lauter scheint die Glocke zu dröhnen, und ohrenbetäubender die Trillerpfeifen die Trommelfelle zu quälen. Die Regie der IG Metall hat das geschickt inszeniert. Dort verschmelzen die beiden Demonstrationszüge miteinander. Wohl weit über 3000 Menschen sind es, die mit Dutzenden Bussen gekommen sind aus Dillenburg, aus Krefeld, aus Benrath und auch von kleineren Standorten, um Farbe zu bekennen.
OB Scholz findet berührende Worte
Auf dem Husemannplatz warten bereits einige Hundert Menschen, darunter etliche Opel-Mitarbeiter, die aus eigener leidvoller Erfahrung wissen, wann es Zeit ist, um Solidarität zu üben. Bochums Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz begrüßt die Massen und findet Worte, die viele berühren: „Stahl hat unsere Stadt einst groß gemacht.
Wir wollen in Bochum nicht auf Stahl verzichten.“ Nach ihr spricht, nein, ruft mit überschlagender Stimme Frank Klein, der Betriebsratsvorsitzende des Nirosta-Werkes. Am Abend zuvor hat er noch bis 23 Uhr mit den Finnen zusammengesessen, Verhandlungen, ohne Ergebnis.
Urväter mit Verantwortungsgefühl
Am Freitagnachmittag soll es weiter gehen, an einem Tisch mit den feinen Herren. Doch jetzt, jetzt bricht es aus ihm heraus: „Hat hier etwa irgendeiner von Euch schlecht gearbeitet?“, fragt er wütend. Die Urväter des Stahlkonzernes, Alfred Krupp und August Thyssen, das seien Männer mit Verantwortungsgefühl gewesen.
Das Schlusswort hat Ralf Heppenstiel, Europa-Betriebsrat bei Thyssen-Krupp; er macht keinen Hehl daraus, was er von den Übernahmeplänen durch Outokumpu denkt: „Finger weg, nein, Finnen weg von unserer Flüssigphase.“