Bochum. Die Nirosta-Beschäftigten in Bochum müssen um ihre Jobs bangen. Gegen eine mögliche Schließung des Bochumer Werks formiert sich heute ein Protestzug. Die Polizei bittet Autofahrer um Verständnis für Verkehrsbehinderungen. DerWesten berichtet ab 10 Uhr live.
Die Wunderwaffe der Bochumer IG Metall überzeugt stets und verschlägt manch’ Zugereistem die Sprache. Das liegt nicht unbedingt am Inhalt, sondern vielmehr an ihrer Lautstärke. Es ist eine Gussstahlglocke aus Bochumer Produktion, die die Gewerkschaft immer dann hervorzaubert, wenn es wirklich um etwas geht. Zuletzt war dies am 22. Januar 2008 der Fall.
Als vor vier Jahren die Stadt (vergeblich) aufstand, um für die rund 2700 Arbeitsplätze bei Nokia zu kämpfen. Diesmal geht es um Ähnliches. Wenn das Stahlwerk verkauft wird, drohe ein Tod des jetzigen Thyssen-Krupp-Standortes auf Raten. Das fürchten selbst nüchterne Geister. Deshalb hat die Gewerkschaft auf „Alarmstufe Rot“ geschaltet. Die Aussichten für die Mitarbeiter sind düster. Die "Financial Times" berichtet in ihrer Freitagsausgabe, dass der geplante Verkauf der Thyssen-Krupp-Edelstahl-Sparte kurz vor dem Abschluss stehe. Dem Bericht zufolge bestehe über die Verträge bereits weitgehend Einigkeit.
Die Gewerkschaft ruft deshalb nun auf zur Solidarität, wenn sich gegen 10 Uhr der Protestzug am Tor Süd an der Essener Straße und auf dem Parkplatz unterhalb der Jahrhunderthalle formieren wird. Gegen 11 Uhr beginnen die Demonstrationen. Um 5 vor 12 Uhr startet die Kundgebung mitten in der Stadt auf dem Husemannplatz.
Stahl: In 50 Jahren
Warum die Stahlarbeiter gerade in Bochum äußerst empfindlich reagieren auf alle Versuche, Arbeitsplätze abzubauen oder Schwerpunkte zu verlagern, verdeutlicht ein kurzer Blick in die Geschichte der Stahlindustrie in dieser Stadt.
Vor etwa 50 Jahren arbeiteten in Bochum rund 27 000 Menschen in Betrieben der Stahlindustrie, dabei allein über 20 000 beim Bochumer Verein, der damals gerade von Krupp geschluckt und dann mehr und mehr in seine Einzelteile zerlegt worden ist. Was sehr schnell auch zu Lasten der Belegschaft ging.
Gut 20 Jahre später, ab 1985 schockte die Stahlkrise die Region, die Hattinger Henrichshütte, Krupp-Rheinhausen waren als Symbole für den scheinbart nicht aufzuhaltenden Niedergang in aller Munde. Was landauf, landab weitaus weniger bekannt war:
In Bochum gab es damals immer noch 17 000 Stahlarbeiter. Es kam auch hier zu großen Demonstrationen etwa im Juni 1987 unter dem Motto: „Bochum muss Stahlstadt bleiben“.
Und so kam es, wenn auch heute nur wenig mehr als 4000 Beschäftigte in der Stahlindustrie arbeiten.
Schon vorab ordnete der DGB-Regionsvorsitzende Michael Hermund die Situation ein und machte auch keinen Hehl daraus, wen er als wahre Verantwortliche ansieht: „Sollen jetzt die Beschäftigten die Zeche für Fehlkalkulationen des Vorstandes des Thyssen-Krupp-Konzerns in Brasilien zahlen? Beim Bau eines neuen Werkes sind dort Millionen versenkt worden.“ Beinahe wörtlich in die gleiche Richtung geht die Solidaritätsadresse der Partei die Linke: „Eine Schließung des Standortes würde einen Bruch der mit den Arbeitnehmern geschlossenen Verträge bedeuten“, so die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen. Die Soziale Liste im Rat geht noch weiter und erklärt durch ihren Vorsitzenden Günter Gleising: „Die spontanen Arbeitsniederlegungen wie in Krefeld, sind vor diesem Hintergrund nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig.“ Unterstützung sagte auch der Opel-Betriebsrat zu. „Gerade wir wissen aus Erfahrung , wie wichtig es ist, sich für jeden Arbeitplatz einzusetzen“, so Rainer Einenkel und Dirk Grützner.
Die Polizei bittet die Autofahrer um Verständnis, weil mit Verkehrsbehinderungen auf der Essener, Allee- und Gahlenschen Straße zu rechnen sei. Dies gelte für die Fahrspuren in Richtung City.
DerWesten berichtet ab 10 Uhr live von der Demonstration.