Bonn. Tankstellen ändern immer häufiger Preise. Kartellamt: Autofahrer verlieren Orientierung. Kritik an Marktmacht der BP-Raffinerie Gelsenkirchen.
Das Bundeskartellamt schlägt Alarm, weil Tankstellen in Deutschland innerhalb von 24 Stunden immer häufiger die Spritpreise verändern. Im vergangenen Jahr waren es im Schnitt 18 Preissprünge täglich. Nach Einschätzung von Behördenchef Andres Mundt verlieren Verbraucherinnen und Verbraucher durch das ständige Auf und Ab die Orientierung. Er bringt deshalb eine gesetzliche Begrenzung der Zahl der Preisveränderungen ins Spiel.
Die Untersuchungsergebnisse bergen politischen Sprengstoff. Wenige Tage vor der Bundestagswahl äußert Deutschlands oberster Wettbewerbshüter Zweifel an der Preisfindung in der Mineralölwirtschaft. „Die Untersuchungen haben erneut gezeigt, dass die Bedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb im Mineralölbereich in Deutschland schwierig sind“, sagt Kartellamtspräsident Andreas Mundt und meint damit nicht nur die regionale Vormachtstellung von Raffinerien.
Spritpreis ändert sich inzwischen 18 Mal pro Tag
Mit Sorge beobachten die Kartellwächter, dass die Preise für Benzin und Diesel an den Tankstellen immer häufiger schwanken. „Während 2015 eine durchschnittliche Tankstelle noch drei- oder viermal am Tag ihre Preise änderte, passierte dies Anfang 2024 im Durchschnitt 18 Mal am Tag“, heißt es in einem Bericht der Bonner Behörde, der unserer Redaktion vorliegt. Die Preiskapriolen führen nach Einschätzung des Kartellamts dazu, dass Autofahrer immer schlechter abschätzen könnten, „zu welchem Zeitpunkt sie tanken müssen, um günstige Tagespreise nutzen zu können“.
Damit nicht genug: „In der Konsequenz könnten Verbraucher auf das Optimieren des Tankzeitpunktes verzichten“, schreiben die Kartellwächter. Somit werde die vor einigen Jahren eingerichtete Markttransparenzstelle, an die Mineralölkonzerne ihre Spritpreise melden müssen, „konterkariert“.
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Behördenchef Mundt schlägt deshalb vor, die Auswirkungen der häufigen Preisänderungen an den Zapfsäulen weiter zu untersuchen. Er schließt nicht aus, dass eine Begrenzung der täglichen Schwankungen durch den Bundestag nötig werden könnte. „Für eine gesetzliche Beschränkung der Preisänderungen an Tankstellen existieren bereits Modelle in Österreich und West-Australien“, verweist Mundt auf Erfahrungen in anderen Ländern.
Kartellamt: Wenige Mineralölkonzerne beherrschen den Markt
Das Kartellamt hat auch die Raffinerien, die mit importiertem Rohöl den Sprit für die Tankstellen und andere Mineralölprodukte herstellen, genauer unter die Lupe genommen. Es gebe eine hohe Marktkonzentration. „Bei der Erzeugung von Dieselkraftstoff entfielen 2022 mindestens 50 Prozent der Produktionsmengen auf die größten drei und mindestens 65 Prozent der Mengen auf die größten fünf Erzeuger“, heißt es in dem Bericht. Nach Zahlen der Monopolkommission aus dem Jahr 2018 waren das in Deutschland BP, Shell, Phillips 66, Exxon Mobil und Total. Die Konzerne seien zum Teil erheblich über ihre jeweiligen Investoren miteinander verflochten.
Nach Einschätzung der Wettbewerbshüter haben die Raffinerien in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet eine Vormachtstellung. „Nachfrager nach Kraftstoffen und Heizöl sind häufig auf die Anbieter in ihrer Region angewiesen“, heißt es in dem Bericht im Hinblick auf ansonsten hohe Transportkosten. „Die Region West (nördliches Nordrhein-Westfalen) mit der Raffinerie Gelsenkirchen hat bei den Kraftstoffen (Dieselkraftstoff, Ottokraftstoff) hohe und bei leichtem Heizöl sehr hohe Eigenversorgungsquoten“, schreibt das Kartellamt.
BP will seine Raffinerie in Gelsenkirchen verkaufen
Der Mineralölkonzern BP hatte unlängst angekündigt, für seine Raffinerie Ruhr Oel in Gelsenkirchen einen Käufer zu suchen. Angesichts der Marktkonzentration in der Branche wird erwartet, dass im Vorfeld einer Übernahme die Europäische Wettbewerbsbehörde ein gewichtiges Wort mitzusprechen haben werde.

Kritik üben die Wettbewerbshüter auch an der Preisbildung für Mineralölprodukte in Deutschland. „Auch wenn Preisnotierungen nicht grundsätzlich als wettbewerbsschädlich anzusehen sind, sehen wir bei der derzeitigen Ausgestaltung erhebliche wettbewerbliche Risiken“, erklärt Präsident Mundt und verweist auf die Gefahr einer „stillschweigenden Einigung der Marktteilnehmer auf ein Preisniveau, das über dem Wettbewerbspreis liegt“.
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