Essen. Ist die Energiewende zu teuer? Kommen Atomenergie und Kohle zurück? Wie Hausbesitzer und Mieter mit Grünstrom selbst viel Geld sparen können.

Steht Deutschlands Energiewende vor dem Aus? Werden Windräder abgerissen und feiern Kohle- und Atomstrom ein Comeback? Wer den Wahlkampf verfolgt hat, konnte diesen Eindruck gewinnen. Wer sich vergangene Woche auf Europas größter Energiemesse umgeschaut hat, nicht. Die E-World in Essen war einmal mehr geprägt von den Lösungen der Zukunft für Erneuerbare Energien. Dabei gewinnen Ökostromanlagen in Privathaushalten immer mehr an Bedeutung. Weil sie die Energiewende nicht nur greifbar, sondern für den Einzelnen auch rentabel machen.

Es sind zwei Fliegen, die Eigenheimbesitzer sowie Mieterinnen und Mieter mit einer Klappe schlagen können. Selbst Energie zu erzeugen spart Stromkosten und trägt gleichzeitig zum Klimaschutz bei. Doch den eigenen Stromhaushalt umzubauen, schreckt viele Verbraucherinnen und Verbraucher ab. Dabei gibt es – ganz nach eigenem Bedarf und Größe des Portemonnaies – auch einfache Möglichkeiten, erneuerbare Energien effektiv zu nutzen. Das betonen nicht nur die Unternehmen, die ihre Anlagen verkaufen wollen. Sondern auch die Verbraucherschützer in NRW.

Der Trend geht derzeit klar zu Photovoltaik (PV). Über 200.000 neue Privatanlagen gingen 2024 allein in NRW ans Netz. An sonnigen Tagen erzeugen die Neuinstallationen so viel Energie wie vier mittelgroße Blöcke eines Kohlekraftwerks. Ein Grund für den Boom: Balkonkraftwerke, also kleine PV-Anlagen, sind bereits ab wenigen hundert Euro erhältlich und ermöglichen so einen vergleichsweise günstigen Einstieg ins grüne Strom-Business. Vielerorts setzen Verbraucher daher auf die günstigen, beliebten und grünen Energieträger.

Grüner Strom durch Balkonkraftwerk: Das sollten Interessenten wissen

Das Investment rechnet sich in der Regel bereits nach wenigen Jahren. Die Leistung einer kleinen Photovoltaikanlage für den heimischen Balkon reiche, um einen mittelgroßen Kühlschrank und eine kleine Gefriertruhe ein Jahr lang mit Strom zu versorgen, vergleicht Thomas Zwingmann, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. „Damit kremple ich nicht meine gesamte Energiebilanz um“, aber trotzdem ließen sich so Kosten sparen. Kleine Balkonkraftwerke gibt es ab 230 Euro. Ein Standardmodul mit 400 Watt liefert bei guter Lage und Ausrichtung rund 400 kW/h im Jahr, das spart beim aktuellen Durchschnitts-Strompreis von rund 30 Cent etwa 120 Euro pro Jahr.

Balkonkraftwerke sind eine vergleichsweise günstige Möglichkeit, erneuerbare Energie direkt zu nutzen.
Balkonkraftwerke sind eine vergleichsweise günstige Möglichkeit, erneuerbare Energie direkt zu nutzen. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Die PV-Paneele sind modular, sodass die Größe der Anlage individuell angepasst werden kann. Wichtig für die Effizienz der Balkonkraftwerke ist ein möglichst schattenfreier Platz. Schon eine kleine Verschattung kann die Gesamtleistung mindern. Verbraucher sollten zudem auf die Statik und Traglast der Montageposition achten, um Beschädigungen und Sicherheitsrisiken zu vermeiden. Voraussetzung für die Installation ist eine Einspeisesteckdose in der Nähe der Anlage. Aktuell sind Einspeisungen ins Netz bis 800 Watt erlaubt. Zum Vergleich: Ein Fernseher zieht rund 80 Watt.

Grundsätzlich darf jeder Mieter ein Balkonkraftwerk installieren. Zwar sollte vorher die Eigentümerin oder der Eigentümer benachrichtigt werden, doch diese „müssen zustimmen, außer es sprechen stichhaltige Gründe dagegen“, etwa fehlende bauliche Voraussetzungen. Auch Mieter, die in einem denkmalgeschützten Haus wohnen, sollten sich nicht abschrecken lassen. PV-Anlagen seien „nicht viel anders als Blumenkästen“, sagt Zwingmann. Wenn sich jemand beschwere, „nehme ich es einfach wieder ab.“

Weniger Bürokratie vereinfacht Umstellung auf nachhaltigen Mieterstrom

Eine weitere grüne Energie-Alternative ist der Mieterstrom. Das Prinzip ist einfach: Der Eigentümer oder Investor eines Mehrfamilienhaus richtet eine große Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes ein, aus der die Mieter ihren Strom beziehen können. Umso komplizierter war wiederum lange der bürokratische Aufwand. Denn der Anbieter des Mieterstrom agierte rein rechtlich als Energieversorger, sodass die Nutzer des Mieterstroms ihre bisherigen Verträge bei externen Anbietern kündigen mussten. Doch was, wenn der durch die PV-Anlage erzeugte Strom nicht ausreichte, um alle Wohnungen ausreichend zu beliefern? In diesem Fall musste der Mieterstrom-Betreiber die benötigte Energie von anderen Versorgern zukaufen.

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Diese bürokratischen Hürden seien inzwischen aber „deutlich verschlankt“, sagt Zwingmann. Die Eigentümer der PV-Anlage „verkaufen den Strom nach einem festgelegten Schlüssel“ an die Nutzer, der beispielsweise von der Größe der Wohnung abhängig sein kann. Die Mieter wiederum bleiben vertraglich an einen externen Energieversorger gebunden, der bei Engpässen aushilft. „Der Betreiber des Mieterstroms wird also nicht zum Stromversorger“, erklärt der Energieexperte.

Smart Meter: Wann Verbraucher die intelligenten Stromzähler einbauen müssen

Eine Hürde bleibt jedoch: Wer Strom aus einer erneuerbaren Energiequelle mit mehr als sieben Kilowatt Nennleistung bezieht, ist zur Nutzung eines Smart Meter verpflichtet. Das sind intelligente Stromzähler, die erfassen, „wer was und wann verbraucht hat“. Mieterstrom-Verbraucher sollten deswegen die Leistung der PV-Anlagen überprüfen.

Eine gesetzliche Pflicht, Smart Meter einzubauen, besteht laut Verbraucherzentrale NRW auch bei Haushalten mit einem Stromverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden pro Jahr oder mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, etwa einer Wärmepumpe. Um die Installation kümmert sich der Messstellen- oder Netzbetreiber. Interessenten sollten hierbei mit höheren Kosten rechnen als bei klassischen Stromzählern.

Energiegenossenschaften sind „anderer Ansatz, in erneuerbare Energien zu investieren“

Smart Meter erfassen, wie viel Mieterstrom Verbraucher nutzen. So lassen sich Kosten sparen.
Smart Meter erfassen, wie viel Mieterstrom Verbraucher nutzen. So lassen sich Kosten sparen. © dpa-tmn | Markus Scholz

Ein längerfristiges Investment sind Energiegenossenschaften. Hier schließen sich verschiedene Teilhaber zusammen, um gemeinsam in erneuerbare Energie zu investieren, etwa indem eigene Photovoltaik- oder Windkraftanlagen betrieben werden. Die Mitglieder der Genossenschaft profitieren an dem Verkauf des grünen Stroms, der in das Netz eingespeist wird. Laut Zwingmann besteht bei Genossenschaften aber ein „Risiko, falls sie schlecht wirtschaften.“ Sowieso: Mitglieder verbrauchen meist nicht unmittelbar den Strom, der von den eigenen Energieträgern erzeugt wurde. Energiegenossenschaften stellen damit „einen anderen Ansatz dar, in erneuerbare Energien zu investieren.“

Deutschlandweit gibt es nach Angabe der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaft bereits über 950 Projekte, in denen rund 220.000 Verbraucher in erneuerbare Energien investieren. Durchschnittlich beteiligt sich jedes Mitglied mit 3.600 Euro am Ausbau. Auch im Rheinland und Ruhrgebiet entstanden kürzlich neue Genossenschaften. In Hattingen sind Flusswärmepumpen in der Ruhr in Planung. Die Velberter Energiegenossenschaft setzt wiederum auf den Ausbau von Photovoltaik, indem die Gemeinschaft Dächer pachtet und mit PV-Anlagen ausrüstet. Der grün erzeugte Strom soll dann an den lokalen Erzeuger verkauft werden. Für die Mitglieder lohnt sich das Investment: Drei Prozent Dividende sollen sie planmäßig pro Jahr erhalten.