Essen. Wer Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden errichten will, hat gute Karten: Das höchste Gericht in NRW gibt grundsätzlich grünes Licht.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden und darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt (Aktenzeichen 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23). Damit hat das Gericht für künftige juristische Auseinandersetzungen neue Leitplanken eingezogen.
Neue Energien auf alten Häusern, in Nordrhein-Westfalen war das zur Glaubensfrage geworden. Regelmäßig kam es bislang zu juristischen Auseinandersetzungen, wenn Besitzer denkmalgeschützter Gebäude eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach errichten wollen. Die Frage, ob Denkmalschutz Vorrang habe oder aber in Zeiten der Klimarettung das öffentliche Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien überwiege, hat das OVG Münster nun zugunsten des Klimaschutzes entscheiden. Eine Revision ließ der 10. Senat nicht zu. Dagegen kann Beschwerde eingelegt werden.
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In beiden Fällen gaben die Richter den Hauseigentümern recht. Sowohl die Besitzerin eines Wohnhauses in der denkmalgeschützten Düsseldorfer „Golzheimer Siedlung“ wie auch die Eigentümerin eines Baudenkmals in Siegen haben demnach einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiege in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes, so die Vorsitzende des 10. Senats in der Urteilsbegründung.
OVG Münster: Vorgaben des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes beeinflussen NRW-Gesetz
Die Richter bezogen sich dabei auf die Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, die im Juli 2022 in Kraft getreten war. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral sei, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden, heißt es in der Urteilsbegründung. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukomme, beeinflusse auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht.
Im Fall der Golzheimer Siedlung in Düsseldorf hatte die Stadt die Erlaubnis zunächst verwehrt. Weil die Solarzellen auf dem Einfamilienhaus teilweise von der Straße aus zu sehen gewesen wären, sei das einheitliche Gesamtbild der Siedlung in Gefahr, so die Begründung. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte dem Kläger recht gegeben, das bestätigte nun das OVG. Dass die PV-Module aus dem öffentlichen Raum sichtbar seien, reiche grundsätzlich nicht aus, um die Erlaubnis zu verwehren.
In Siegen wollte die Besitzerin einer im Jahr 1900 gebauten ehemaligen Schule ebenfalls Photovoltaik auf das Dach setzen, erhielt jedoch keine Genehmigung. Das seit 2005 in der Denkmalliste notierte Gebäude mit schiefergedecktem Turm und drei kleinen Dachgauben sei bedeutend für den Ortsteil, argumentierten die Denkmalschützer. Schützenswert sei das Gebäude, weil es eben eine für das Siegerland typische Dachform aufweise.
Richter in Münster sehen in Siegen keinen Ausnahmefall zugunsten des Denkmalschutzes
Anders als in Düsseldorf hatte das Verwaltungsgericht in Arnsberg den Denkmalschützern recht gegeben. Das Erscheinungsbild des Daches und damit des gesamten Denkmals werde durch die Photovoltaikmodule „erheblich beeinträchtigt“. Es liege kein öffentliches Interesse vor, das die Belange des Denkmalschutzes überlagern würde. In seiner Begründung hatte das Verwaltungsgericht noch klargestellt: Klimaschutz und erneuerbare Energien haben nach dem Landesgesetz keinen absoluten Vorrang.
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Das OVG Münster entschied nun aber zugunsten der Hausbesitzerin. Die Solaranlage beeinträchtige die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes nicht. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiege, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde, so die Begründung.
NRW-Bauministerium knüpft Rechtsanspruch an Leitlinien
NRW zählt zu den Bundesländern, in denen es einen Rechtsanspruch auf die Errichtung von Solaranlagen auf Denkmälern gibt. Dieses Recht auf Erlaubnis aber knüpft das NRW-Bauministerium an Leitlinien, die es November 2022 veröffentlichte. Darin heißt es: Solaranlagen, die nicht vom öffentlichen Raum einsehbar sind, seien in der Regel zu erlauben. Sind sie von der Straße aus zu sehen, müssen sie mit dem Erscheinungsbild des Denkmals vereinbar sein und dürfen es nur geringfügig verändern.
Die Richter in Münster erklärten, dass die Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin erforderlich sei, letzterer dabei aber als regelmäßig vorrangiger Belang zu betrachten sei. Nur wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstünden, dürfe die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden. Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, komme es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt sei.
„Ob eine Photovoltaikanlage auf oder an einem denkmalgeschützten Gebäude erlaubnisfähig ist, kann nur im Einzelfall ... entschieden werden.“
Das NRW-Bauministerium hatte noch vor der Urteilsverkündung in Münster auf das Landesgesetz verwiesen: „Der Denkmalschutz ist in Nordrhein-Westfalen in Artikel 18 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen verankert, es besteht daher kein absoluter Abwägungsvorrang der erneuerbaren Energien gegenüber den Belangen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege“, hatte ein Sprecher auf Anfrage mitgeteilt. Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) betonte zu diesem Zeitpunkt, die Entscheidung des OVG zu den Einzelfällen „wird weitere Anhaltspunkte dafür liefern, ob eventuell an der Verwaltungsvorschrift Änderungen vorzunehmen sind.“
Landesverband Erneuerbare Energien: Überragendes Interesse unstrittig
„In der Praxis sticht der Ausbau der Solarenergie die Restriktionen des Denkmalschutzes in den allermeisten Fällen“, hatte Max Feldes, Geschäftsführer des Landesverband Erneuerbare Energien (LEE), dieser Redaktion vorab gesagt. Zwar müsse die untere Denkmalbehörde jeder Installation nach wie vor eine Erlaubnis erteilen. „Doch es bedarf schon eines sehr ungewöhnlichen Falles, dass dies verwehrt wird.“ Für Peters ist es unstrittig, dass der Ausbau von Erneuerbaren Energien „in einem überragenden öffentlichen Interesse“ stehe. „Es gibt in NRW rund 82.000 denkmalgeschützte Gebäude, und viele der Eigentümer sind froh, ihre Energiekosten durch eine eigene Solaranlage zu senken und dabei auch die Klimabilanz des Gebäudes zu verbessern.“