Essen. Lange hat die Ampel gerungen, nun sollen neue Regeln die Solarenergie vorantreiben. Vor allem Balkonkraftwerke profitieren. Was sich ändert.

Mehr Leistung, weniger Bürokratie. Mit einem Paket von Maßnahmen und Erleichterungen will die Bundesregierung den Ausbau der Solarenergie in Deutschland voranbringen – allen voran die Balkonkraftwerke, die aktuell einen Boom erleben. Über viele Monate hatte das „Solarpaket 1“ für Zwist zwischen den Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP gesorgt. Nun soll der Bundestag in der kommenden Woche final zustimmen, danach der Bundesrat. Worum es geht und was für Verbraucher wichtig ist.

Wie steht es um den Ausbau der Solarenergie in Deutschland?

Solarenergie ist neben Windenergie eine wichtige Säule der Energiewende. Nach Zahlen der Bundesnetzagentur hat sich der Zubau im Vergleich zum Vorjahr auf 14,1 Gigawatt nahezu verdoppelt. Dies sei auf zahlreiche private Anlagen zurückzuführen, außerdem habe es einen verstärkten Zubau von Solaranlagen auf gewerblichen Dächern und auf Freiflächen gegeben. Am Jahresende 2023 betrug laut Bundesnetzagentur die installierte Gesamtleistung in Deutschland 81,7 Gigawatt. Damit müssten künftig jährlich 19 Gigawatt zugebaut werden, um das Ausbauziel von 215 Gigawatt für Solar im Jahr 2030 zu erreichen.

Worum geht es bei dem Solarpaket?

Im Zentrum der Maßnahmen steht die Entbürokratisierung, vor allem für Balkonkraftwerke, die bei Verbrauchern immer beliebter werden. Der Zubau soll vorrangig mit Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach und auf Freiflächen erreicht werden: Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die Hälfte der neuen Solaranlagen auf Gebäude, die andere Hälfte auf Freiflächen wie Felder entfallen.

Ratgeber: Schritt für Schritt zur eigenen Solaranlage

Sie interessieren sich für eine Solaranlage? Unsere Photovoltaik-Serie klärt über alle wichtigen Fragen auf. Lesen Sie hier alle Folgen:

Teil 1: Photovoltaik auf dem Dach: Was Einsteiger wissen müssen
Teil 2: Die ersten Schritte zur eigenen Solaranlage
Teil 3: So finden Sie den richtigen Handwerksbetrieb
Teil 4: Das Wichtigste über Solarmodule und Technik
Teil 5: Kosten, Erträge, Renditen: Wann Solaranlagen Geld verdienen
Teil 6: Photovoltaik-Anlagen: Wo es in NRW noch Fördergelder gibt
Teil 7: Neue Regeln für 2023: Die wichtigsten Steuertipps
Teil 8: Mieten statt kaufen – lohnt sich das?
Teil 9: Wartung, Pflege, Pflichten: So laufen PV-Anlagen 20 Jahre
Teil 10: Solarboom in NRW: Alles über Balkonkraftwerke

Die Serie ist auch als digitales Themenheft erschienen, das Sie online kostenlos herunterladen können. Bestellung unter waz.de/photovoltaik.

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Was unterscheidet eigentlich Balkonkraftwerke von großen Solaranlagen?

Balkonkraftwerke sind kleine Solargeräte für Balkone, Fassaden oder Terrassen, die mit einem Wechselrichter über einen Stecker direkt an das häusliche Stromnetz angeschlossen werden. Die Solarmodule auf dem Balkon erzeugen Gleichstrom, den der Wechselrichter in Wechselstrom umwandelt. Der Strom fließt über die Steckdose der Anlage in den Stromkreis der Wohnung. Sind dort Verbraucher wie etwa Waschmaschine, Fernseher oder Router mit Steckdosen verbunden und in Betrieb, wird der Solarstrom verbraucht.

Die entsprechende Menge muss nicht aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen werden, der Stromzähler zählt nun langsamer. Je nach Lage können die Besitzer etwa zehn Prozent des Stroms im Haushalt selbst erzeugen und so die Stromrechnung senken.

Wie viele dieser Balkonkraftwerke gibt es in Deutschland?

Hunderttausende Menschen in Deutschland haben 2023 eine Mini-Solaranlage für Balkon, Hausfassade, Carport oder Garage gekauft. Wie viele dieser Stecker-Solargeräte, so der Fachbegriff, in Deutschland am Netz sind, lässt sich jedoch nur schätzen. Der Grund: Ein Großteil der Verbraucher ignoriert die bisherige Vorschrift, die Balkonkraftwerke bei Netzbetreibern oder Bundesnetzagentur anzumelden. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) hat hochgerechnet, dass nur 37 Prozent ihre Anlage gemäß Vorschriften angemeldet haben.

Nach Zahlen der Bundesnetzagentur sind 2023 rund 270.000 Mini-Solaranlagen neu ins Marktstammdatenregister eingetragen worden. Dies sei mehr als eine Vervierfachung gegenüber 2022. Weil Stecker-Solargeräte eine geringe Leistung haben, liege ihr Anteil am gesamten Photovoltaik-Zubau bei knapp zwei Prozent. Verkaufszahlen von Komponenten lassen indes vermuten, dass es auch über eine Million Anlagen sein können.

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Was ändert sich nun für Käufer von Balkonkraftwerken?

Vor allem sind es Erleichterungen bei Anmeldung und Betrieb. Gehen Solaranlagen, auch die kleinen Balkonkraftwerke, ans Stromnetz, musste das bislang der Bundesnetzagentur und auch dem jeweiligen Netzbetreiber gemeldet werden. Viele Besitzer kritisierten, dass die Anmeldeprozedur zu kompliziert sei.

Das Solarpaket 1 sieht vor, dass eine neue Balkonanlage nun nur noch im Marktstammdatenregister eingetragen werden muss. Die Behörde hat dafür bereits seit dem 1. April grünes Licht gegeben. Künftig soll es ein vereinfachtes Onlineformular mit nur noch wenigen Fragepunkten geben. Der Netzbetreiber muss nicht mehr über die Installation eines Stecker-Solar-Geräts informiert werden.

Mit Hilfe eines Gleichrichters kann der Strom direkt in die heimische Steckdose eingespeist werden.
Mit Hilfe eines Gleichrichters kann der Strom direkt in die heimische Steckdose eingespeist werden. © dpa

Benötigen Käufer von Balkonkraftwerken neue Stromzähler im Haushalt?

Nein. Wer noch einen alten analogen Zähler ohne Rücklaufsperre (Ferraris-Zähler) hat, musste ihn bislang durch ein modernes Gerät ersetzen. Verhindert werden sollte, dass sich der Zähler rückwärts dreht, wenn die Solaranlage mehr Strom einspeist, als gerade im Haushalt verbraucht wird.

So würde der Stromverbrauch wie auch die zu zahlenden Steuern und Abgaben fehlerhaft erfasst, so die Netzbetreiber. Für die Verbraucher aber führte das dazu, dass sie den nicht genutzten Sonnenstrom verschenkten.

Wer nun ein Balkonkraftwerk in Betrieb nimmt, muss laut Plan der Bundesregierung nicht mehr abwarten, bis der Netzbetreiber einen modernen Zähler einsetzt. Rückwärts laufende Zähler werden bis zum Tausch „übergangsweise geduldet“. Bis dahin können die Besitzer für jede eingespeiste Kilowattstunde den üblichen Strompreis einsparen.

Welche Leistung dürfen Balkonkraftwerke künftig haben?

Bislang waren in Deutschland Stecker- Solargeräte mit einer Leistung von maximal 600 Watt erlaubt. Gemeint ist dabei grundsätzlich die Leistung des Wechselrichters, der die eingespeiste Strommenge der Anlage beschränkt. Künftig sollen Balkonkraftwerke eine Leistung von 800 Watt haben dürfen. So ist es bereits in vielen anderen EU-Ländern üblich.

Die Solarmodule können höhere Leistungen aufweisen und somit bei geringerer Sonneneinstrahlung eine höhere Einspeiseleistung erzielen. Ein Balkonkraftwerk darf also mit mehreren Solarmodulen betrieben werden – sofern der Wechselrichter nicht mehr als 800 Watt erzeugt. Die Gesamtleistung der Solarmodule soll laut Solarpaket nun maximal 2000 Watt betragen dürfen.

Ein Schukostecker auf einem Solarmodul: Eine neue VDA-Norm soll die technischen Vorschriften für den Betrieb von Stecker-Solargeräten neu festlegen.
Ein Schukostecker auf einem Solarmodul: Eine neue VDA-Norm soll die technischen Vorschriften für den Betrieb von Stecker-Solargeräten neu festlegen. © dpa / Picture Alliance

Mit welchem Stecker dürfen Mini-Solaranlagen künftig ans Netz?

Über die „Steckerfrage“ wurde lange gestritten: Darf ein Balkonkraftwerk mit einem haushaltsüblichen Schuko-Stecker angeschlossen werden? Der Verband der Deutschen Elektrotechnik (VDE) hatte das bis Anfang 2023 kritisch gesehen, dann aber grünes Licht gegeben.

Hintergrund sind sicherheitstechnische Bedenken: Am Stecker eines Balkonkraftwerks herrscht hohe Spannung, die Kontakte eines Schukosteckers aber liegen frei. Der VDE empfiehlt in seiner bisherigen Norm einen sogenannten Wieland-Stecker, der deutlich teurer ist und dessen Einspeisesteckdose von einer Elektro-Fachkraft installiert werden muss. Manche Netzbetreiber sowie Förderrichtlinien schrieben einen Wieland-Stecker vor. Künftig soll ein Schukostecker erlaubt sein. Die „Steckerfrage“ soll jedoch nicht im Solarpaket, sondern zeitnah in einer neuen VDE-Norm geregelt werden.

Wie sollen Mieter künftig stärker von Photovoltaik profitieren können?

Das neue Solarpaket sieht vor, die Hürden für Mieterstrom zu senken. Mieterstrom ist in unmittelbarer Umgebung des Mietshauses erzeugter Strom, der den Mietparteien zum Verbrauch angeboten wird. Der Strom fließt dabei direkt in das Stromnetz des Hauses und wird nicht über öffentliche Leitungen ins Hausnetz eingespeist. Dadurch soll er günstiger sein.

Hauseigentümer oder Vermieter können den Verkauf ihres Solarstroms auch Dienstleistern wie etwa Stadtwerke übertragen. Die Mieter des Hauses sind jedoch nicht verpflichtet, den Solarstrom abzunehmen. Sie können auch mit externen Anbietern, die vielleicht günstigere Tarife anbieten, einen Vertrag abschließen. Der Mieterstrom soll künftig auch gefördert werden, wenn sich die Photovoltaik-Anlagen auf Nebengebäuden befinden. Dies können Gewerbegebäude oder auch Anlagen wie Garagen sein.

Was ist für Solaranlagen im Freien geplant?

Kommunen sollen große Solarparks (oder auch Windparks) schneller planen und umsetzen können. Anlagen mit einer Leistung von bis zu 50 Megawatt sollen künftig an Ausschreibungen teilnehmen können, bisher lag die Obergrenze bei 20 Megawatt. PV-Anlagen auf Fabrikhallen oder Dächern von Supermärkten sowie auf Firmenparkplätzen sollen gefördert werden. Der Ausbau auf Ackerflächen erhält Vorrang, so der Entwurf. Die Nutzung soll aber bis 2030 auf ein Maximum von 80 Gigawatt beschränkt werden. Dies entspreche etwa 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland, teilt der Bundesverband Solarwirtschaft mit.

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