Düsseldorf. Die Landesregierung feiert einen „Förder-Boom“ für bezahlbares Wohnen. Aber reicht das, um die Krise der Bau-Branche zu bremsen?
Viele Bürgerinnen und Bürger in NRW haben weiter große Probleme, eine günstige Mietwohnung zu finden. Das Land habe zwar im Jahr 2024 bei den Sozialwohnungen einen „Förder-Boom“ erlebt, sagte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) am Mittwoch im Landtag. Gleichzeitig sei aber überall in Deutschland die Zahl der Baugenehmigungen insgesamt stark eingebrochen.
Im Länder-Vergleich schneidet NRW beim Rückgang der Baugenehmigungen noch relativ gut ab
Inmitten dieser Baukrise stehe NRW im Ländervergleich noch gut da, so die Ministerin. Der Rückgang der Baugenehmigungen habe bundesweit bei minus 19 Prozent gelegen, in NRW „nur“ bei minus 7,1 Prozent: Konkret: Zwischen Januar und November 2044 seien in NRW 37.000 neue Wohneinheiten genehmigt worden, darunter – exakt wie im Jahr davor -- 6726 neue Mietwohnungen.

„Die öffentliche Wohnraumförderung ist der Stabilitätsanker für die Wohnungs- und Bauwirtschaft“, sagte Scharrenbach. Vieles deutet allerdings darauf hin, dass dieser „Förder-Boom“ bloß ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Laut einer aktuellen Untersuchung des Pestel-Instituts ist der Bestand an Sozialwohnungen in Deutschland nämlich stetig geschrumpft auf zuletzt etwa eine Million. Die Zahl der Wohnungen, die aus der Sozialbindung herausfallen, sei zudem deutlich höher als die, die neu entstehen.
Das gelte auch für Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2023 verfügte NRW mit knapp 427.000 laut der Untersuchung zwar über deutlich mehr Sozialwohnungen als andere Länder. 160.000 davon sollen jedoch bis zum Jahr 2030 aus der Mietpreisbindung fallen. Bundesweit fehlen der Studie zufolge insgesamt rund 550.000 Wohnungen. 2024 seien jedoch nur 250.000 Einheiten fertiggestellt worden.
Lob und Kritik für den Wohnungsbau in NRW
Dazu Alexander Rychter, Verbandsdirektor des Verbandes der Wohnungswirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen, schrieb als Vertreter der „sozial orientierten Wohnungswirtschaft in einer Mitteilung: „Das Wohnraumförderprogramm des Landes NRW ist für die sozial orientierten Mitgliedunternehmen und -genossenschaften ganz entscheidend, wenn es darum geht, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen.“ Die Wohnraumförderung leiste eine planbare und verlässliche Hilfe für den Wohnungsbau – auch vor dem Hintergrund der „unruhigen Förderkulisse des Bundes“.
Die SPD im Landtag spricht dagegen von einer „desaströsen“ Wohnungsbaupolitik der schwarz-grünen Landesregierung.. „Die Jubel-Arie von Wohnungsbauministerin Scharrenbach ist absolut nicht nachvollziehbar. Seit Jahren hat sie bei ihrer Kernaufgabe, dem Wohnungsbau für die Mehrheit der Bevölkerung, versagt. Auch wenn die Ministerin jetzt für das Jahr 2024 von einem „weiteren Boomjahr“ spricht, ist das Ergebnis ernüchternd“, sagte Sebastian Watermeier, der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Wie schon 2023 sei die Förderung des mietpreisgebundenen Wohnraums in NRW auch 2024 nicht über 6.726 neue Wohneinheiten hinausgekommen. Eine wirkliche Belebung des Öffentlichen Wohnungsbaus stehe seit 2017 aus.
Etwa jede zweite Sozialwohnung in NRW ist „fehlbelegt“
„In NRW wurde 2024 nicht eine Wohnung mehr gebaut als im Jahr davor“, kritisierte Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des Deutschen Mieterbundes in NRW gegenüber dieser Redaktion. „Der Sozialwohnungsbau hält nicht Schritt mit dem rasanten Tempo, in dem Wohnungen aus der Sozialbindung fallen.“
Laut Ministerin Scharrenbach sind nach wie vor etwa 50 Prozent der Sozialwohnungen in NRW „fehlbelegt“. Das bedeutet: Diese Mieter liegen inzwischen beim Einkommen über der Berechtigungs-Grenze für das Wohnen in einer Sozialwohnung. Überlegungen, wieder eine „Fehlbelegungsabgabe“ einzuführen, verfolgt die Landesregierung aber nicht weiter. „Das Problem ist, dass diese Menschen, wenn sie die Wohnungen verlassen müssten, am Markt kein vergleichbares Angebot fänden“, erklärte Scharrenbach.
Caritas: „Soziales Drama“ für Menschen mit Behinderungen, die eine Wohnung suchen
Die Konkurrenz um die preiswerten Wohnungen führe bundesweit zu Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, warnt Janina Bessenich, Geschäftsführerin bei der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie: „Menschen mit Behinderung und benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind vom Wohnungsmarkt quasi ausgeschlossen.“ Vor allem Menschen mit psychischen Erkrankungen hätten massive Probleme beim Zugang zum sozialen Wohnraum. „Wir erleben ein soziales Drama“, sagte Bessenich.