Essen. Nach den Pleiten von Esprit, Sinn & Co. verharrt die Modebranche in der Krise. Die aktuelle Bilanz macht wenig Hoffnung. Was dem Handel fehlt.

Ist Shopping aus der Mode gekommen? Landesweit gingen in den vergangenen Monaten Bekleidungsunternehmen in die Knie., darunter so namhafte Marken wie Esprit, Sinn, Gerry Weber und einige mehr. Und der Blick auf die Zahlen stimmt kaum optimistisch. Im Gegenteil: In der Branche herrscht Unzufriedenheit, der Textilverband sieht nach wie vor viele Unternehmen in Existenznot. Dabei sei Shoppen doch eigentlich etwas Schönes.

„Mode ist ein Lustartikel“, stellt Axel Augustin, Pressesprecher des BTE Handelsverband Textil, Schuhe und Lederwaren, klar. Doch die Lust, Geld auszugeben, verspüren die Deutschen in den aktuell unsicheren Zeiten einfach nicht. Das bekommt die Modebranche deutlich zu spüren, wie aus den Umsatzzahlen von 2024 hervorgeht, die der Handelsverband am Montag veröffentlichte. Im vergangenen Jahr haben Modegeschäfte insgesamt 67,5 Milliarden Euro vor Ort und im Onlinehandel Jahr umgesetzt – 20 Millionen Euro weniger als noch 2023. „Stagnation“, nennt Augustin das, oder etwas positiver formuliert: „Stabilität“.

Ähnlich angespannt ist die Lage im Schuhhandel. Hier beträgt der Umsatzverlust im Vergleich zu 2023 sogar 90 Millionen Euro. Insgesamt hatten die Unternehmen mit Schuhen laut BTE im vergangenen 11,62 Milliarden Euro erwirtschaftet. Immerhin: Die Zeit der Geschäftsschließungen scheint vorüber. 2024 mussten weniger Schuhgeschäfte schließen als noch ein Jahr zuvor.

Umsatz stagniert: Modebranche kämpft noch immer mit den Folgen von Corona

Eine Hauptursache für die wirtschaftliche Misere ist schnell gefunden: Die Covid-Pandemie ab 2020. Die Branche, so Augustin, habe „es immer noch nicht geschafft, die Corona-Folgen komplett auszugleichen“. Er beruft sich auf die Umsatzbilanzen von 2019. Damals hatten die Bekleidungs- und Textilunternehmen in Deutschland 67,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. „Wir sind nur unwesentlich über dem Gesamtmarkt von 2019, dem letzten normalen Jahr“, sagt Augustin. Einschränkungen im Einzelhandel und Geschäftsausgaben führten zu einem Umsatzrückgang, erst seit 2022 erholt sich der Markt wieder.

Esprit im Centro
Die Textilbranche bleibt in der Krise: Viele Modegeschäfte, hier Esprit im Oberhausener Centro, mussten in naher Vergangenheit schließen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Doch nur langsam, wie sich zeigt. Und auch für das laufende Jahr erwartet der BTE Handelsverband keine positiven Überraschungen. Umfragen bei Mode- und Textilhändlern ergeben, dass nur ein Drittel der Unternehmen mit einem Umsatzwachstum von über einem Prozent in 2025 rechnen. Umgekehrt erwartet fast ein Drittel Einbußen von mehr als einem Prozent. 36 Prozent der Mode- und Textilhändler gehen von stagnierenden Umsätzen aus. „Wir bräuchten eigentlich mal deutliche Umsatzzuwächse“, wünscht sich Augustin, nur um direkt anzufügen: „Die sehen wir in der Branche im Moment leider nicht.“

Temu, Shein & Co.: „Der große Gewinner in den letzten Jahren ist der Onlinehandel“

Nur ein Modesektor hat sich seit Corona vergrößert. „Der große Gewinner in den letzten Jahren ist der Onlinehandel.“ 2019 setzten Händler noch fast fünf Milliarden Euro weniger um als 2024. Doch das führt zu neuen Problemen. Online-Anbieter aus Asien wie Temu oder Shein überspülen den Markt mit Billigware und sorgen so für Umsatzeinbußen in der Modebranche. BTE-Präsident Mark Rauschen fordert deswegen mehr Kontrollen bei der Einfuhr aus Asien. Die vor kurzem neu eingeführten EU-Zollregeln begrüße er sehr.

Rauschen ist selbst Geschäftsführer eines Modehandels in Osnabrück und kennt die Probleme, mit denen sich die Branche herumplagt. Während der Umsatz stagniere, seien die laufenden Kosten um 20 Prozent gestiegen. „Viele Unternehmen können nicht mehr wirtschaftlich arbeiten“, so Rauschen. Es könne nicht Normalität sein, „dass eine Branche, die eigentlich so schön ist und von den Menschen so wertgeschätzt wird, im Rückwärtsgang ist.“ Dabei seien die Modegeschäfte noch immer der „Kern der Innenstädte. Und wir erleben von den Menschen, dass sie gerne in die Städte gehen.“

„Wenn man mehr Zeit im Büro verbringt als im Geschäft, dann läuft irgendetwas falsch“

Mark Rauschen
BTE-Präsident

Auch der zunehmende bürokratische Aufwand lässt die Sorgenfalten der Unternehmen tiefer werden. „Wenn man mehr Zeit im Büro verbringt als im Geschäft, dann läuft irgendetwas falsch“, so Rauschen. Statt sich mit Mode zu beschäftigen, müssten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen mit dem Beamtentum herumschlagen. Hier sei mehr Vertrauen aus Politik und Verwaltung nötig. Und auch diverse Nachhaltigkeitsbestimmungen überfordern die Branche. Die Regeln, so Rauschen, seien zwar per se wichtig, „in der Dimension aber außergewöhnlich.“

Handelsverband will Politik die Hand reichen – und distanziert sich von der AfD

Von der künftigen Bundesregierung erhofft sich der BTE-Präsident Wirtschaftskompetenz und den verstärkten Fokus auf die Binnenkonjunktur. Die solle angekurbelt werden. „Wir müssen wieder auf die Füße kommen.“ Die Branche reiche der Politik deswegen die Hand, um „gute Rahmenbedingungen“ zu schaffen, „die uns erlaubt, vernünftig zu wirtschaften.“

Konkrete Empfehlungen zur kommenden Bundestagswahl mache der Verband seinen Mitgliedern aber nicht, auch nicht zur AfD. „Wir sind nicht politisch“, sagt Rauschen, der jedoch an die jüdische Geschichte des Modehandels in Deutschland erinnert. Deswegen sei es für den Präsidenten „unvereinbar, rechtsradikale Parteien zu wählen.“

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