Essen. Dauerstress, extremes Wetter: Zusteller fordern besseren Lohn und mehr Urlaubstage. Essener Postbote erklärt, warum er die Briefe liegen lässt.
Kostenlose Rücksendungen und schnelle Lieferungen – das bequeme Online-Shopping boomt, doch die Zusteller tragen die Last. Dennis Witte (49), seit fast 30 Jahren Briefzusteller bei der Deutschen Post in Essen, sagt: „Wir streiken, weil die Arbeitsbelastung mittlerweile so hoch ist, dass wir dringend bessere Bedingungen brauchen.“
Trotz der Herausforderungen schätzt Dennis Witte seinen Beruf – zumindest in seinen Grundzügen. Doch der Titel „Briefzusteller“ wird dem heutigen Berufsbild längst nicht mehr gerecht. „Wir tragen mittlerweile etliche Kleinpakete herum. Das geht ganz schön auf das Gewicht der Räder“, erklärt Witte.
Dennis Witte aus Essen: „Viele meiner Kollegen haben Knie-, Hüft- und Rückenbeschwerden.“
Pakete zwischen fünf und zehn Kilogramm gehören inzwischen zum Alltag, auch für Zusteller, die ursprünglich für Briefe zuständig waren. Größere Sendungen werden wiederum von Verbundzustellern ausgeliefert. „Da sprechen wir von Paketen mit bis zu 30 Kilogramm“, erklärt Witte. Die körperlichen Anforderungen seien enorm: „Viele meiner Kollegen haben Knie-, Hüft- und Rückenbeschwerden.“
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Besonders bei extremen Wetterbedingungen zeige sich die Belastung deutlich: „Wir sind bei Wind und Wetter unterwegs, selbst bei Sturmwarnungen. Wenn Sie die Nachricht kriegen, ‚bleiben Sie brav zu Hause‘, sind die Postboten eigentlich immer unterwegs.“ Das gehe nicht nur an die Substanz, sondern setzt die Zusteller auch seelisch unter Druck.
Größere Zustellbezirke in NRW verschärfen Arbeitsbelastung
Ein weiteres Problem sei die Größe der Zustellbezirke, die laut Witte die Arbeitsbelastung oft zusätzlich verschärfe. Offiziell werde argumentiert, dass die Menge an Briefsendungen zurückgehe – eine Begründung, die unter anderem zur Vergrößerung der Zustellbezirke herangezogen wird.
Witte: „Wir haben eine regelmäßige Bezirksbemessung. Die findet einmal im Jahr statt. Ein System errechnet dann, ob das Revier zu groß oder zu klein ist.“ Allerdings berücksichtige dieses System lediglich die Menge vollbezahlter Briefsendungen. Witte erklärt: „Werbesendungen, die wir ebenfalls zustellen, fallen da komplett raus.“ Das führe dazu, dass die Zustellbezirke vergrößert werden, ohne dass die tatsächliche Arbeitslast abnehme. „Im Gegenteil – die Briefmenge bleibt hoch, und zusätzlich fahren wir längere Strecken“, so der 49-Jährige.
Hohe Fluktuation und geringe Wertschätzung für Zusteller
Hinzu kommen sprachliche Barrieren: „Wir haben eine hohe Fluktuation und viele Kollegen mit Migrationshintergrund, die teilweise der deutschen Sprache nicht ganz so mächtig sind.“ Besonders bei komplizierten Zustellungen, wie Einschreiben, führe dies regelmäßig zu Problemen.
„Von meiner direkten Stellenleitung fühle ich mich schon wertgeschätzt. Das hört aber nach einer gewissen Ebene auf, besonders dort, wo Entscheidungen getroffen werden“, erklärt Witte. „Die Inflation trifft vor allem die normalen Arbeitnehmer hart, und das muss sich im Gehalt widerspiegeln“, betont Witte. Bereits den letzten Inflationsausgleich mussten sich die Zusteller erstreiken.
Briefzusteller Dennis Witte: „Die Freizeit wird immer wertvoller.“
Zwar seien Überstunden dank einer neuen Betriebsvereinbarung inzwischen besser geregelt, doch der anhaltende Personalmangel mache es Witte oft schwer, aufgelaufene Restüberstunden tatsächlich abzubauen. Witte sagt: „Die Freizeit wird immer wertvoller. Man muss das Geld haben, um die Freizeit, die man vielleicht bekommt, auch zu finanzieren.“
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