Duisburg. Hafenchef Markus Bangen sieht in den vielen Baustellen eine Chance fürs Ruhrgebiet. Eine Brücke in Duisburg macht ihm besondere Sorgen.
Zahlreiche Baustellen und baufällige Brücken sorgen aktuell für lange Staus im Ruhrgebiet. Zu den vielen Leidtragenden gehört auch der Duisburger Hafen, der als Logistik-Drehscheibe eine wichtige Rolle in Europa spielt. Trotz der Beeinträchtigungen sieht Hafenchef Markus Bangen in den Baustellen eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet und warnt deshalb davor, immer nur zu jammern.
Herr Bangen, in Duisburg wackelt die nächste Brücke. Die Berliner Brücke auf der A 59 führt genau über Ihre Ruhrorter Hafenbecken. Wird der Hafen gar nicht mehr zu erreichen sein, sollte die Brücke ganz für Lkw gesperrt werden?
Markus Bangen: Die Beschränkungen auf der Berliner Brücke sind natürlich nicht schön und machen uns Sorgen. Das Bauwerk selbst ist aber gar nicht das größte Problem für den Duisburger Hafen. Von den 80.000 Fahrzeugen, die täglich über die Berliner Brücke fahren, sind ohnehin „nur“ 10.000 Lkw, die wenigsten davon wollen in den Duisburger Hafen. Denn die für uns bestimmten Lkw erreichen uns heute und auch weiterhin über die Ausfahrten „Duisburg-Häfen“ auf der A40 und A59. Ich sehe aber noch ein viel größeres Problem.
Welches ist das?
Bangen: Wenn die Berliner Brücke für den gesamten Lastverkehr oder sogar ganz gesperrt werden muss, ertrinken wir im Umleitungs-Verkehr auf den sonstigen Straßen im Stadtgebiet. Dann wären auch alle anderen Zufahrten zum Hafen überlastet. Dieses Szenario möchte ich mir gar nicht vorstellen.
Zumal ja ohnehin der sechsspurige Ausbau der A 59 kommen soll – mit zusätzlichen Beeinträchtigungen für den Hafen.
Bangen: Ja, während der Bauzeit werden wir weitgehend auf die Abfahrt „Duisburg-Häfen“ der A59 verzichten müssen. Deshalb wünschen wir uns als Hafen eine möglichst schnelle Lösung, die die baubedingte Ausfallzeit so kurz wie möglich hält. Wenn sich Planung und Neubau verzögern und die Berliner Brücke komplett gesperrt werden muss, dann haben wir Lüdenscheid in Duisburg, weil sich der Verkehr in die Wohngebiete verlagert. Dies müssen wir alle zusammen verhindern. (Die Innenstadt von Lüdenscheid ertrinkt im Lastverkehr, weil die marode Rahmedetalbrücke der A45 gesprengt werden musste, Anm. d. Red.)
Welche Lkw steuern denn überhaupt den Hafen an?
Bangen: Das sind in erster Linie Verkehre der letzten Meile, die nicht per Bahn oder Schiff fahren können. Die meisten Lkw, die den Hafenteil Ruhrort über die A40 und A59 ansteuern, kommen aus dem nördlichen Ruhrgebiet und bedienen unsere vier Container-Terminals in Ruhrort und Meiderich, aber natürlich auch die Logistikzentren und die sogenannte Ölinsel mit Lagern für Mineralöl- und Chemieprodukte. Die kommen zum Beispiel aus dem Chemiepark Marl nach Duisburg.
Die A59 ist nicht das einzige Nadelöhr im Ruhrgebiet. Das Kreuz Kaiserberg ist Großbaustelle, die Brücke Neuenkamp auf der A40 ist im Bau, auf der A42 in Bottrop müssen schwere Lkw abfahren und gebuddelt wird auch seit Jahren auf der A43 in Herne. Macht da Logistik überhaupt noch Spaß?
Bangen: Viel zu lange ist nichts in die Infrastruktur investiert worden, man hat die Probleme stattdessen gesundgebetet. Dafür verantwortlich ist nicht nur die Politik, sondern auch die Industrie, die zu spät die Initiative ergriffen hat. Jetzt müssen viele Brücken und Straßen auf einmal erneuert werden. Das führt zwangsläufig zu Staus.
Aus Ihrer Analyse klingt wenig Empörung.
Bangen: Ja. Es bringt doch nichts, immer nur zu jammern. Wir dürfen doch den Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet vor allem international nicht schlecht reden, weil wir hier gerade viele Staus haben. Ich rate dazu, auch die positiven Seiten zu sehen. Die Baumaßnahmen sind ein notwendiges Übel, aber sie zeigen doch, dass es vorangeht. Wenn die vielen Baustellen in einigen Jahren fertig sind, werden wir im Ruhrgebiet mit die ersten sein, die über eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur verfügen. Das wird uns enorm helfen.
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Wie stellen Sie sich das konkret vor?
Bangen: Wenn wir im Ruhrgebiet mit Kunden und Investoren reden, sollten wir ihnen zeigen, wie es in Zukunft aussehen wird – zum Beispiel mit Animationen und aktuellen Drohnen-Aufnahmen von den Baufortschritten. Die gibt es nämlich. Am Kreuz Kaiserberg arbeiten seit zwei Jahren Vollprofis, die alte Brücken abreißen und neue bauen. Bislang ist nichts zusammengebrochen, und der Verkehr kann weiter rollen. Das kann man ruhig mal loben anstatt immer nur zu meckern. Staus hat es auch vor dem Beginn der Bauarbeiten gegeben.
Sie fordern also mehr positives Denken?
Bangen: Dazu haben wir doch auch allen Grund. Gucken Sie nach Bochum, wo die A40 drei Monate gesperrt war. Es gab nur drei Wochen Verzögerung und trotz der Vollsperrung ist das Ruhrgebiet nicht zusammengebrochen. Und die erste Hälfte der Neuenkamp-Brücke auf der A40 in Duisburg ist jetzt schon leistungsfähiger als die alte. Wir sehen Licht am Ende des Tunnels und modernisieren auf einem hohen Niveau. Diese Botschaft müssen wir als Wirtschaft auch transportieren.
Sind Sie denn optimistisch, dass man mit den neuen Brücken pfleglicher umgehen wird als mit den bröselnden alten?
Bangen: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es sollte überprüft werden, dass Lkw nicht schwerer sind als 44 Tonnen, wenn sie über die neuen Brücken fahren. Dafür brauchen wir Wiegeeinrichtungen entlang der Autobahnen, wie es sie etwa in den Niederlanden längst gibt. Es kann doch nicht sein, dass wir für Milliarden neue Brücken bauen und uns blind darauf verlassen, dass die Gewichtsbeschränkungen eingehalten werden. Man muss doch davon ausgehen, dass eine ganze Reihe von Lkw auch in Zukunft schwerer sind als erlaubt.
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