Bochum. 2025 erhöhen die Krankenkassen ihre Beiträge. Einen Vorgeschmack gibt die Traditionskasse aus dem Ruhrgebiet: Sie geht über 4 Prozent.

Für gesetzlich Versicherte wird die Krankenkasse 2025 ganz erheblich teurer. Als erste Krankenkasse hat jetzt die Knappschaft entschieden, ihre Beiträge massiv zu erhöhen. Zum 1. Januar soll der kasseneigene Zusatzbeitrag von aktuell 2,7 Prozent auf den Rekordwert von 4,4 Prozent steigen. Das sagte Michael Weberink, Vorstandsvorsitzender der Knappschaft-Bahn-See (KBS) mit Hauptsitz in Bochum, im Interview mit dieser Redaktion.

>>> Lesen Sie hier das ganze Interview mit Michael Weberink

„Diese Entscheidung haben wir nicht leichtfertig getroffen“, betonte Weberink. „In all den Jahren hier bei der Knappschaft habe ich noch nie so intensive Gespräche erlebt wie jetzt. Die Erhöhung lässt sich aber zwangsläufig herleiten.“ Er begründet das bislang beispiellose Plus von 1,7 Prozentpunkten mit deutlich gestiegenen Ausgaben und sinkenden Rücklagen. Der Druck sei bei allen Krankenkassen groß. Die Traditionskasse mit vielen früheren Bergleuten unter den knapp 1,4 Millionen Versicherten rechnet Ende 2024 mit einem Defizit von 74 Millionen Euro - innerhalb der gesetzlichen Versicherungen wird mit einem Milliarden-Defizit gerechnet.

Erstmals ist die Krankenversicherung teurer als die Rentenversicherung

Kassen dürfen neben dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent seit 2015 einen Zusatzbeitrag erheben, um finanzielle Engpässe auszugleichen. Er ist von Kasse zu Kasse verschieden. Noch nie lag der Zusatzbeitrag einer Krankenkasse über vier Prozent. In Summe zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber damit mehr für die Krankenkasse als für die Rentenversicherung.

Weberink ist sich der Symbolik bewusst. „Das ist der Ruf eines Ertrinkenden und es ist nicht der erste, der zu hören ist“, so der Knappschaftsvorstand. Er fordert Reformen. „Wir haben eine strukturelle Fehlfinanzierung in Deutschland. Wir investieren wahnsinnig viel in unser Gesundheitssystem, erzielen mit ihm im internationalen Vergleich aber nicht deutlich bessere Ergebnisse. Das bezahlen die Versicherten und die Arbeitgeber über ihre Beiträge.“

Michael Weberink, Vorstandsvorsitzender der Knappschaft-Bahn-See mit Hauptsitz in Bochum und Vertreter der Arbeitgeberseite

„Das ist der Ruf eines Ertrinkenden und es ist nicht der erste, der zu hören ist.“

Michael Weberink
Vorstandsvorsitzender der Knappschaft-Bahn-See (KBS), zu der auch die Krankenkasse „Knappschaft“ gehört

Ursprünglich sollten die Knappschafts-Versicherten sogar noch viel stärker zur Kasse gebeten werden. Nach Informationen dieser Zeitung stand ein Zusatzbeitrag von knapp 5 Prozent im Raum, was wenige Monate vor der Bundestagswahl für Ärger in der Bundesregierung gesorgt haben soll. Wegen rechtlicher Besonderheiten der KBS muss der Bund den Haushalt genehmigen - und soll die geplante Erhöhung zunächst abgelehnt habe. Laut Bundessozialministerium habe man sich aber „erfolgreich inhaltlich abgestimmt und den Zusatzbeitragssatz konsentiert“.

Die Knappschaft wird nach Einschätzung von Experten nicht die einzige Kasse bleiben, die teurer wird. Fachleute rechnen mit einer beispiellosen Welle von Beitragserhöhungen bei den gesetzlichen Krankenversicherungen. Allein die Kassenausgaben für Krankenhausbehandlungen sind bundesweit im ersten Halbjahr 2024 um rund 3,6 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Rücklagen schwinden, auch weil die Kassen Vermögen an den Gesundheitsfonds abgeben mussten.

Finanznot: 34 Krankenkassen haben sogar unterjährig ihren Zusatzbeitrag erhöht

Deshalb haben bundesweit 34 Krankenkassen entgegen bisheriger Tradition sogar im laufenden Jahr 2024 ihren individuellen Zusatzbeitrag erhöht - darunter auch die Knappschaft. Im Durchschnitt liegt er aktuell bei 1,7. Experten zufolge muss er 2025 auf 2,5 Prozent steigen. Die meisten Krankenkassen beschließen im Dezember ihre Erhöhung.

Größere Krankenkassen in NRWaktueller ZusatzbeitragGesamtbeitragssatz 2024
AOK Rheinland Hamburg2,20 %16,80 %
AOK Nordwest1,89 %16,49 %
Barmer2,19 %16,79 %
Bergische Krankenkasse1,99 %16,59 %
BIG Direkt Gesund1,65 %16,25 %
BKK 243,25 % (unterjährig erhöht)17,85 %
BKK Diakonie2,69 % (unterjährig erhöht)17,29 %
BKK exklusiv1,99 %16,59 %
BKK Provita1,49 %16,09 %
BKK Public1,20 %15,80 %
Continentale BKK2,20 % (unterjährig erhöht)16,80 %
DAK1,70 %16,30 %
Energie BKK1,59 %16,19 %
Hanseatische (HEK)1,30 %15,90 %
hkk0,98 %15,58 %
IKK classic2,19 % (unterjährig erhöht)16,79 %
IKK gesund plus2,39 % (unterjährig erhöht)16,99 %
KKH3,28 % (unterjährig erhöht)17,88 %
Knappschaft2,70 % (unterjährig erhöht)17,30 %
Novitas BKK1,70 %16,30 %
Techniker (TK)1,20 %15,80 %
Viactiv1,99 % (unterjährig erhöht)16,59 %
Quelle: eigene Recherche, Oktober 2024

Bei der Knappschaft kommen offenbar noch hauseigene Probleme hinzu. Die Versicherten sich älter und kränker als der Durchschnitt. Ihre Anzahl ist zudem innerhalb von zwei Jahren um knapp sechs Prozent auf unter 1,4 Millionen Versicherte gesunken, während deutschlandweit sogar mehr Menschen gesetzlich versichert waren. Zwar hat die KBS bei der Knappschaft seit 2021 rund 75 Millionen Euro an Verwaltungskosten und die Stellen von rund 500 Menschen eingespart. Die Verwaltungskosten pro Kopf, aber auch die Gesamtausgaben pro Kopf lagen Anfang 2024 aber immer noch über dem Durchschnitt.

Kostenstrategie fällt Kasse auf die Füße und treibt Beitragssatz jetzt nach oben

Auf die Füße gefallen ist der Kasse zudem eine frühere Strategie, den Beitragssatz stabil zu halten. Sie hatte die millionenschwere Beteiligung an 14 Knappschaftskliniken als Rücklage eingebucht. Das hat ihr nicht nur Ärger mit dem Bundesamt für soziale Sicherung beschert. Die Kasse muss die Kliniken bis Ende 2025 aus der Rücklage herausrechnen und gleichzeitig ihr Cash-Konto wieder auffüllen.

Die Knappschaft gilt als älteste Sozialversicherung der Welt. Die ersten Knappschaften haben Bergleute bereits vor über 750 Jahren gegründet, um sich sozial abzusichern. 2005 ist die damalige Bundesknappschaft mit der Bahnversicherungsanstalt und der Seekasse zur Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zusammengetreten. Zu ihrem Haus gehört neben der Kranken- und Pflegeversicherung auch ein Medizinischer Verbund aus Knappschaftsärztinnen, 14 Krankenhäuser und Reha-Kliniken sowie die Minijob-Zentrale.

>>> Lesen Sie auch: Kündigungsrecht: Was tun, wenn die Krankenkasse teurer wird?