Düsseldorf. Unternehmer in NRW bangen um die Wettbewerbsfähigkeit, der DGB sorgt sich um die Arbeitnehmer. Ist die Lage wirklich so schlimm?
Angesichts der Finanzprobleme der gesetzlichen Pflegeversicherung warnt die Landesvereinigung der Unternehmensverbände in NRW vor Beitragserhöhungen.
Würgen die Beiträge zur Sozialversicherung die deutsche Wirtschaft ab?
„Mit einer erneuten Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung würden die Finanzierungsprobleme der Sozialversicherungen ein weiteres Mal den Beitragszahlern aufgebürdet“, sagte Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer des Dachverbandes, dieser Redaktion.
Es sei zu befürchten, dass sich die Soziallasten angesichts drohender Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Mehrkosten durch das geplante Rentenpaket II „zu einem der gravierendsten Standortnachteile Deutschlands entwickeln“, sagte Pöttering.
Im internationalen Vergleich seien die Lohnzusatzkosten, zu denen die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zählen, heute schon hoch. Steigende Beiträge würden diese Kosten noch weiter nach oben treiben, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland würde weiter verschlechtert, so Pöttering. In einer alternden Gesellschaft müsse die Politik die Kraft für eine echte Reform der Pflegeversicherung finden.
DGB-Landeschefin Anja Weber: Keine Experimente mit den Beiträgen zu Lasten der Beschäftigten
Widerspruch kam am Dienstag von der NRW-Landesvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Anja Weber. „Die Arbeitgeberseite ist schnell dabei, die Angst vor Beitragserhöhungen zu schüren, übrigens auch bei der Diskussion über das Rentenpaket II“, sagte sie im Landtag. Die Sozialbeiträge würden „Gott sein Dank“ je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt. „Dieses Verfahren ist immer besser als den Menschen zu sagen, sie müssten allein Vorsorge treffen“, gab Weber zu bedenken. „Gut wäre es, wenn die Zahl der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler erhöht würde, also auch Selbstständige mehr Geld in die Sozialversicherung einzahlten“, meint die DGB-Landeschefin.
NRW-Arbeitsminister Laumann plädiert für eine stärkere Steuerfinanzierung
NRW-Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte sich schon Anfang September für eine stärkere Steuerfinanzierung der gesetzlichen Renten-, Pflege- und Krankenversicherung ausgesprochen. „Man muss überlegen, ob man das ganze System nur über den Faktor Arbeit finanzieren will“, sagte Laumann der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Der Sozialversicherungsbeitrag habe eine andere Belastungswirkung als die Steuern, so Laumann. „Man muss sich darüber im Klaren sein, welche Wirkung der Sozialversicherungsbeitrag auf die niedrigen Einkommen hat. Das muss man lösen, statt immer zu sagen: Geht nicht.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat zuletzt die Finanzierungsprobleme der Pflegeversicherung relativiert: Ihr drohe nicht die Insolvenz, aber die Lage sei schwierig, sagte er. Lauterbach will „in wenigen Wochen“ ein Konzept vorlegen, um die Pflegeversicherung auf stabile Füße zu stellen. Erst dann werde er sagen, ob und in welchem Umfang die Beiträge zur Pflegeversicherung angehoben würden.