Düsseldorf. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern eilt von Rekord zu Rekord. Die Aktionäre feiern das auf der Hauptversammlung. Was Friedensbewegte davon halten.

Für die Aktionärinnen und Aktionäre war der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern in den vergangenen beiden Jahren eine Geldvermehrungsmaschine. Für die Bundeswehr ist es der wichtigste Rüstungspartner, für die von Russland überfallene Ukraine der größte deutsche Hoffnungsträger – für die Friedensbewegung dagegen ist Rheinmetall der „Händler des Todes“. Mit entsprechenden Schildern protestierten Pazifisten am Dienstag vor der Düsseldorfer Konzernzentrale aus Anlass der Jahreshauptversammlung.

Aus Sicht des Rheinmetall-Aufsichtsratschefs Ulrich Grillo sind das Minderheitenmeinungen. Er vernimmt eine „breite gesellschaftliche Anerkennung“ für Rheinmetall. Das und ihre große Verantwortung für die Sicherheit Deutschlands und seiner Partner gebe den Beschäftigten Kraft und Motivation, die sie für „die vielen Extraschichten“ benötigten. Denn auch Rheinmetall durchlebe eine Zeitenwende, so Grillo: „Wir haben Wachstumsraten wie ein Start-up. Das bleibt nicht ohne Wachstumsschmerzen, hier und da knirscht es.“

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Aufträge in Höhe von 38 Milliarden Euro sprechen bei einem Jahresumsatz von zuletzt gut sieben Milliarden Euro für sich: Rheinmetall ist damit auf viele Jahre ausgelastet ist. Mit neuen Werken in Deutschland, der Ukraine und Litauen, insbesondere für Munition, Sprengstoffe, Panzerfahrzeuge und die Instandsetzung von Panzern baut Rheinmetall seine Kapazitäten aus. Da auch die ersten Monate dieses Jahres Neuaufträge in Rekordhöhe brachten, wird das aber nicht reichen. Konzernchef Armin Papperger kündigte daher massive Investitionen und auch weitere Zukäufe an.

Rheinmetall-Chef: „Wir lassen die Ukraine nicht im Stich“

Papperger nutzte seine Rede an die Anteilseigner einmal mehr, um die immer neuen Rekordumsätze und -gewinne auf eine moralisch tadellose Ebene zu heben. Als führender Ausrüster der Bundeswehr, Nato-Lieferant und „größter industrieller Unterstützer der Ukraine“ in ihrem Abwehrkampf gegen die „imperiale“ russische Aggression leiste man einen wichtigen Beitrag zur Verteidigung der Freiheit. „Rheinmetall lässt die Ukraine nicht im Stich“, betonte Papperger, und später: „Diese Ethik des Handelns und der Verantwortung treibt uns an.“

Das lassen Pazifisten und kritische Aktionäre so nicht gelten. Letztere begründeten ihren Gegenantrag, den Vorstand nicht zu entlasten, mit anhaltenden Geschäften auch mit Autokraten. So verurteilen sie den Bau einer Munitionsfabrik und einer Panzerfahrzeugfabrik in Ungarn, „obwohl die Regierung Orbán seit Jahren Demokratie und Rechtsstaat demontiert“. Auch mit den Autokratien Saudi-Arabien und Ägypten habe Rheinmetall neue Geschäfte eingestielt.

Kritische Aktionäre prangern Waffenlieferungen „an Despoten“ an

„Anhaltende Rüstungslieferungen an Despoten, die Menschenrechte missachten“, passten nicht zur proklamierten „Zeitenwende“, kritisierte Tilman Massa vom Dachverband der kritischen Aktionäre. Der Auftragsbestand an Nicht-EU- und Nicht-Nato-Staaten sei aktuell mit vier Milliarden Euro höher als vor der von Kanzler Olaf Scholz 2022 ausgerufenen Zeitenwende, die den Fokus auf die Verteidigung des eigenen Landes und der Nato-Partner legt.

Papperger betonte in seiner Antwort, Ungarn sei ein EU- und Nato-Mitglied. Zur Vereinbarkeit der Exporte in Länder außerhalb von EU und Nato betonte er, 95 Prozent der Lieferungen gingen an befreundete Staaten. Für den Export der restlichen fünf Prozent vertraue er auf das Urteilsvermögen der Bundesregierung, die derlei Exporte genehmigen muss.

Die sonst auf Hauptversammlungen ebenfalls meist kritische Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zeigte sich dagegen sehr zufrieden mit der Arbeit des Vorstands. Sie interessierten eher die Fortschritte beim Bau der Fabrik in Ungarn und sorgen sich darum, wie der Konzern die vielen neuen Aufträge bewältigen will.

Rheinmetall: Dividendenerhöhung erfreut Aktionärsvertreter

Die Zufriedenheit der größten Vertretung von Kleinaktionären ist kein Wunder bei der Entwicklung von Aktienkurs und Dividende: Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich der Kurs von rund 90 Euro auf 514 Euro an diesem Dienstag mehr als verfünffacht. Die Dividende steigt für 2023 erneut deutlich an - von 4,30 auf 5,70 Euro je Aktie, was DSW-Sprecher Roland Klose „sehr erfreulich“ nennt.

Der Vorstandsvorsitzende Papperger geht davon aus, dass der weltweite Rüstungsboom andauern wird. Die Kriege in der Ukraine und in Gaza, die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer und Chinas Drohungen gegen Taiwan stellten die freie Welt vor wachsende Herausforderungen und erhöhten die Rüstungsnachfrage. „Nicht zuletzt spielt auch der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA in diesem Jahr eine entscheidende Rolle“, fügt er an.

Hofft Rheinmetall-Chef auf einen Sieg Trumps?

Ob Papperger nun mit Sorge oder der Hoffnung auf weitere Milliarden-Aufträge der US-Wahl entgegenblickt, bleibt dabei unklar. Für die gewinnträchtigere Variante müsste der Rheinmetall-Chef sich einen Sieg von Donald Trump wünschen, der nach eigenen Aussagen als Präsident selbst Nato-Staaten nicht mehr zur Seite springen will, wenn sie zu wenig in ihr Militär investieren. Es zeichne sich ab, dass „Deutschland und Europa in Zukunft eine größere Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen müssen“, glaubt Papperger.

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Die Friedensbewegung „Ohne Rüstung leben“ kritisiert dagegen: „Mit Rheinmetall-Waffen werden weltweit Menschen getötet, nicht nur im Ukraine-Krieg, sondern auch im Jemen oder im Krieg der Türkei gegen die Kurden.“ Sie hinterfragt auch die Russlandstrategie des Konzerns: Rheinmetall habe noch kurz vor der Annexion der Krim 2014 auch mit Putin Geschäfte gemacht. „Händler des Todes“ nennen die Pazifisten den Dax-Konzern. Ein Begriff, den sich auch Kathrin Vogler, die NRW-Sprecherin der Linken, zu eigen macht. Rheinmetall sei „einer der größten Kriegsprofiteure“.

Rheinmetall-Aktie verliert trotz neuer Rekorde kräftig

Derlei Kritik war es eher nicht, die Rheinmetalls Aktie am Dienstag auf Talfahrt schickte. Bis zum Mittag verlor sie rund 3,7 Prozent. Dies, obwohl der Konzern am Tag seiner Hauptversammlung eine starke Bilanz für das erste Jahresquartal veröffentlichte: Der Rüstungskonzern steigerte seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16 Prozent auf 1,58 Milliarden Euro, seinen operativen Gewinn gar um 60 Prozent auf 134 Millionen Euro. Allerdings bestätigte Rheinmetall seine Jahresprognose lediglich - die Finanzmärkte hatten offenbar auf eine Anhebung gehofft.