Düsseldorf. Der neue Vodafone-Deutschlandchef Rogge will einfachere Tarife anbieten und das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen. Wie, sagt er im Interview.

Neun Monate lang hat sich Philippe Rogge intensiv beim zweitgrößten deutschen Telekommunikationskonzern Vodafone umgeschaut. In seinem ersten Interview spricht der Deutschlandchef darüber, wie das Unternehmen auf Kundenschwund und schlechte Zahlen reagieren wird. Er will 1300 der bundesweit 14.000 gut Vollzeitstellen streichen, 400 neue Jobs schaffen und das Vertrauen der Kundinnen und Kunden mit einfacheren und klareren Tarifen zurückerobern.

Herr Rogge, Sie waren viele Jahre Profisegler, gehörten zur belgischen Olympia-Mannschaft und waren Teil des weltweiten Top-Rankings. Wollen Sie nun Vodafone von Platz 2 auf Platz 1 der deutschen Telekommunikationskonzerne bringen?

Philippe Rogge: Ich denke bei Erfolg nicht an Ranglisten, Nachkommastellen und Platzierungen. Damit können wir uns innerhalb der Branche schmücken und duellieren. Aber das bringt den Kunden nichts. Wir sind erfolgreich, wenn unsere Kunden mit uns zufrieden sind. Wenn sie uns ihr Vertrauen schenken, weil sie wissen, dass sie sich auf uns verlassen können. Genau dieses Vertrauen in die Telekommunikationsbranche hat in der Vergangenheit an vielen Stellen gelitten – auch bei Vodafone.

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Warum hat Vodafone Vertrauen und Kunden verloren?

Rogge: Unsere Branche verspricht den Kunden viel. Aber zu wenige Versprechen werden wirklich gehalten. Auf vielen Plakaten wird groß mit Gratismonaten geworben. Und hinter dem Sternchen verbirgt sich Kleingedrucktes. Auch bei uns. Das möchte ich ändern. Wir sollten unseren Kunden klarer sagen, wie viel sie bezahlen und wo sie wirklich etwas sparen können. Wir brauchen einfachere Tarife ohne Tricks und einfachere Produkte, die jeder versteht. Das wird eine lange Reise, auf die wir uns begeben haben.

Philippe Rogge: Bestandskunden nicht schlechter stellen.
Philippe Rogge: Bestandskunden nicht schlechter stellen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Treue Bestandskunden empfinden es als ungerecht, dass sie nicht in den Genuss von Sonderangeboten kommen, die allein für Neukunden bestimmt sind.

Rogge: Dieses Thema steht ganz weit oben auf meiner Aufgabenliste. Das will ich ändern. Wir arbeiten an Programmen, um loyale Kunden, die schon viele Jahre an Bord sind, in Zukunft endlich besser zu behandeln. Mit vielen kleinen Taten. Mein Wunsch ist es, dass Vodafone dabei voran geht und der Branche einen Antrieb verleiht.

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Ein großes Ärgernis sind nach wie vor die Funklöcher.

Rogge: Wir haben in Deutschland wirklich gute Mobilfunknetze. Gerade im internationalen Vergleich. Aber es gibt noch Lücken. Da wo es auch die Kunden täglich spüren. Wir Betreiber werben sicherlich korrekt mit 99 Prozent Netzabdeckung, aber auf der Autobahn oder im ICE fühlt sich das anders an. Wir haben immense Summen in den Ausbau unserer Netze investiert und werden das auch weiterhin tun. Aber es ist noch nicht alles perfekt. Die Leute erwarten zurecht, dass wir genau damit ehrlicher umgehen. Ich wünsche mir, dass Kunden in Zukunft über Vodafone sagen können: „Das ist ein guter Laden – die halten, was sie versprechen.“

Gilt das auch für die Wartezeiten, die Kunden an der telefonischen Hotline verbringen müssen, wenn sie ein Problem haben?

Rogge: In vielen Ländern hängt man mindestens eine halbe Stunde in telefonischen Warteschleifen. In Deutschland ist der Standard sehr viel höher. Hier wartet man oft nur einige Minuten. Aber es gibt eben auch Fälle, wo es viel länger dauert. Und auf diese Fälle müssen wir schauen. Der Anspruch der Kunden ist groß – und das ist auch gut so. Das ist eine Chance für uns. Wir wollen unsere Erreichbarkeitsquote verbessern, Kunden besser helfen, wenn sie Probleme haben. Denn klar ist: Jede Beschwerde, die bei uns eingeht, ist eine zu viel.

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Ihr Wettbewerber Telefonica/O2 hat im Januar überraschend höhere Preise bei den Mobilfunkverträgen angekündigt. Wird Vodafone da mitgehen?

Rogge: Die Kosten für Telekommunikationsunternehmen sind signifikant gestiegen. Zum Beispiel für Komponenten und Strom. Auch wir zahlen jetzt pro Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag mehr für Energie. Im vergangenen Jahr haben wir die Preise im Festnetz angepasst und dabei die Leistung für unsere Kunden erhöht. Die Preiserhöhung der Telefonica im Mobilfunk haben wir zur Kenntnis genommen. Zur künftigen Tarifausgestaltung können wir uns nicht äußern, aber wir arbeiten an attraktiven Angeboten.

Wenn abends mehrere Haushalte in einem Mehrfamilienhaus gleichzeitig Filme und Spiele streamen, lässt die Leistung oft spürbar nach. Stößt das Festnetz an seine Grenzen?

Rogge: Als fast alle Menschen während Corona plötzlich im Homeoffice gearbeitet haben, war unser Kabelnetz darauf nicht vorbereitet. Es hat nicht zu jeder Uhrzeit das geliefert, was wir versprochen hatten. Daran haben wir hart gearbeitet und das Netz mit zahlreichen Maßnahmen in den vergangenen Jahren deutlich stabiler gemacht. Es ist heute besser als jemals zuvor – und wir sind auch in diesen Tagen dabei, es noch besser zu machen. Mit mehr Glasfaser im Kabel. Gleichzeitig wollen wir mit unserem neuen Joint-Venture bis zu sieben Milliarden Euro für bis zu sieben Millionen neue Glasfaser-Anschlüsse investieren.

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Herr Rogge, neun Monate lang haben Sie sich mit öffentlichen Auftritten zurückgehalten. Mit Ihrer ersten großen Erklärung kündigen Sie gleich den Abbau von 1300 Stellen an. Ist die Lage so ernst bei Vodafone Deutschland?

Rogge: Richtig ist: Wir verändern uns. Weil wir schneller und einfacher werden wollen – intern genau wie für unsere Kunden. Aber auch weil wir uns für die Zukunft wappnen wollen. Dafür organisieren wir uns neu. Wir schaffen rund 400 neue Positionen. In Summe fallen aber rund 900 Stellen weg: Dieser Teil der Transformation ist schmerzvoll. Denn es geht hier nicht um Zahlen oder Excel-Tabellen, sondern um Kolleginnen und Kollegen, die dieses Unternehmen mit aufgebaut haben. Wir diskutieren gerade mit unseren Betriebsräten, um sozialverträgliche Lösungen und Klarheit für alle zu schaffen.

Sie haben angekündigt, dort zu streichen, wo Ihre Beschäftigten keine Berührung mit Kunden haben.

Rogge: Wir wollen alles stärker an unseren Kunden ausrichten. Nach der Integration von großen Unternehmen wie Kabel Deutschland und Unitymedia sind eine Reihe von Doppelstrukturen entstanden. Unter anderem hier wollen wir die Komplexität im Unternehmen reduzieren. Unser Ziel ist, ein neues Vodafone zu bauen, das die Kunden begeistert.

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Vodafone hat sich in der jüngeren Vergangenheit als Motor für den Ausbau des 5G-Netzes und die Gigabit-Gesellschaft positioniert. Ist das jetzt vorbei?

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Rogge: Nein. Wir haben die größte Gigabit-Infrastruktur im Land, die wir immer besser machen. Ein 5G-Netz, mit dem wir ein Innovationsmotor sind. Und eine hervorragende Mannschaft, die an all dem täglich hart arbeitet. Wir haben alles, was wir brauchen, um erfolgreich zu sein. Deutschland braucht Geschwindigkeit. Aber die Menschen brauchen auch Verlässlichkeit. Denn nur Verlässlichkeit schafft Vertrauen. Und das geht am besten mit einfachen Produkten, stabilen Netzen und Versprechen, die wir halten.

>>> Zur Person

Philippe Rogge wurde im Jahr 1969 im belgischen Gent geboren. Sein Vater ist der 2021 gestorbene ehemalige Olympia-Präsident Jacques Rogge.

Seit dem 1. Juli 2022 steht Philippe Rogge als Nachfolger von Hannes Ametsreiter an der Spitze von Vodafone Deutschland. Zuvor war der studierte Betriebswirt zehn Jahre lang für den US-Softwarekonzern Microsoft in unterschiedlichen Positionen tätig.

Rogge ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Seine Familie lebt in Brüssel.