Bochum. IG-Metall-Bezirkschef Armin Schild schätzt die Sanierungskosten für Opel auf sechs bis sieben Milliarden Euro. Das ist doppelt so viel wie General Motors kalkuliert. Die SPD fordert von GM schnellstmöglich ein Konzept. GM verlegt seine Europa-Zentrale bis Jahresende nach Rüsselsheim.
Der IG-Metall-Bezirkschef Armin Schild rechnet für Opel mit doppelt so hohen Sanierungskosten wie der US-Mutterkonzern General Motors (GM). «Ich gehe davon aus, dass eine Restrukturierung, die auch eine Vorwärtsstrategie eröffnet, über sechs Milliarden, wahrscheinlich eher sieben Milliarden Euro kostet», sagte Schild der «Wirtschaftswoche» laut einem Vorabbericht. Schild ist IG-Metall-Chef von Hessen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland und sitzt außerdem im Opel-Aufsichtsrat. GM hatte den Sanierungsbedarf jüngst auf 3,3 Milliarden Euro beziffert.
«Die Restrukturierungskosten steigen zudem mit jedem Monat, in dem der Umbau nicht angepackt werden kann», erläuterte Schild weiter. «Wenn man Opel in eine gedeihliche Zukunft führen will, muss man neue Modelle in die etablierten Märkte bringen und neue Märkte wie Russland erobern», fügte er hinzu. Dafür brauche Opel «mindestens einen neuen Kleinwagen unterhalb des Corsa und einen kleinen Geländewagen. Auch ein Preiswertauto 'Manufactured in Eisenach' wäre spannend, vorwiegend für Schwellenländer, aber auch für die Märkte in Westeuropa».
Zweifel an Finanzmittel von GM
Schild hat allerdings Zweifel, dass GM über die notwendigen Finanzmittel und kompetenten Manager für eine Sanierung verfügt. «Zunächst braucht es ein Konzept und dann die personellen und finanziellen Ressourcen, um es umzusetzen. Ich frage mich allerdings, woher das nötige Geld kommen soll. GM steht nach der Insolvenz nur scheinbar gut da. Jedenfalls: Wer ein eigenständiges Unternehmen Opel haben will, muss auch eigenständige, kompetente Manager haben. Die sehe ich derzeit bei GM nicht.»
Die SPD fordert vom Opel-Mutterkonzern General Motors schnellstmöglich ein Konzept zur Zukunft des Autoherstellers. Der Bundesparteitag in Dresden beschloss am Samstag mit überwiegender Mehrheit eine Resolution mit der Aufforderung an das US-Unternehmen, zukunftsfähige Standorte und Arbeitsplätze bei Opel zu erhalten. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte, erst wenn ein Konzept vorliege, könne über eine mögliche Hilfe mit Steuergeldern gesprochen werden. Staatliche Hilfen seien aber nur vertretbar, wenn Standort- und Beschäftigungssicherheit gewährleistet würden.
Zugleich attackierte Beck das Vorgehen der GM-Führung scharf. Dies sei ein «schäbiges Stück Kapitalismus», betonte er. Der Ministerpräsident forderte die neue Bundesregierung auf, zusammen mit Gewerkschaften und Betriebsräten sowie den Bundesländern im Interesse der Opel-Beschäftigten zusammenzuarbeiten und alle Möglichkeiten zu nutzen, auf GM Einfluss zu nehmen.
GM verlegt Europa-Zentrale bis Jahresende nach Rüsselsheim
Der Opel-Mutterkonzern General Motors verlegt seine Europa-Zentrale bis Jahresende nach Rüsselsheim. Das bestätigte ein Opel-Sprecher am Samstag der Nachrichtenagentur AP. Damit sollen die Marke Opel und der Stammsitz in Rüsselsheim gestärkt werden. GM wolle sich nach dem Verkauf von Saab in Europa nun auf die Marken Opel und Chevrolet konzentrieren. Chevrolet hat seinen Europa-Sitz nach wie vor in Zürich.
Nach Angaben des Sprechers waren in der GM-Europa-Zentrale in Zürich etwa 200 bis 250 beschäftigt. Ein Großteil sei bereits in die Herkunftsländer zurückgekehrt, die meisten nach Rüsselsheim. Der «Focus» berichtete vorab zudem, die Aufwertung des hessischen Entwicklungs- und Fertigungs-Standorts mit rund 15.000 Mitarbeitern sei ein Versuch, die öffentliche Meinung auf dem größten europäischen Fahrzeugmarkt zu drehen.
Weiter Streit über Staatshilfen zur Opel-Rettung
Mögliche Staatshilfen zur Rettung des angeschlagenen Autobauers Opel sorgen in der Bundesregierung weiter für Diskussionen. Wie der «Spiegel» am Samstag vorab berichtete, stieß die Erklärung von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der Mutterkonzern GM verlange keine deutschen Hilfen mehr, in Kanzleramt und Finanzministerium auf Verwunderung. Beide Ressorts rechnen dem Bericht zufolge damit, dass GM einen entsprechenden Antrag stellen werde.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) seien auch beide grundsätzlich bereit, Hilfen für Opel bereitzustellen, selbst wenn das Unternehmen im Besitz des US-Konzerns bleibt, hieß es laut «Spiegel» in beiden Häusern. So habe GM der Bundesregierung bereits angekündigt, schon bald ein Sanierungskonzept für die deutsche Tochter vorzulegen. Das wäre überflüssig, wenn die Amerikaner keine staatliche Hilfe wollten, sagte ein Insider sagte demnach.
Außenminister Guido Westerwelle signalisierte unterdessen Unterstützung für die Opel-Mitarbeiter: «Jetzt geht es darum, die Belegschaft und die Betriebsräte in ihrem berechtigten Kampf um die Erhaltung der Arbeitsplätze zu unterstützen», sagte er laut «Spiegel». Die abgewählte Große Koalition habe im Fall Opel viele Fehler gemacht. Wirtschaftsminister Brüderle übernehme deshalb ein schwieriges Erbe.
Abberufener Treuhänder
Der inzwischen abberufene Vertreter der Bundesländer in der Opel-Treuhand, Dirk Pfeil, rechnete in einem «Focus»-Interview mit den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch und Jürgen Rüttgers ab. Der hessische Regierungschef Koch betreibe mit seiner Kritik an GM «Herz-Jesu-Sozialismus», sagte Pfeil laut Vorabmeldung. In Richtung des Düsseldorfer Ministerpräsidenten Rüttgers, der das Verhalten von General Motors menschenverachtend und rücksichtslos genannt hatte, sagte Pfeil demnach: «Das ist falsch und demagogisch. Da schürt ein Ministerpräsident mit völlig übertriebenen Formulierungen Ängste.»
Pfeil, der durch den NRW-Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz (CDU), ersetzt wurde, kritisierte die politische Einflussnahme auf das Gremium: «Die Staatssekretäre der sogenannten Opel-Task-Force waren die eigentlichen Macher. Im Vorfeld der Bundestagswahl sollte ein politisch erwünschtes Ergebnis - möglichst viele Opel-Arbeitsplätze in Deutschland erhalten - von uns Fachleuten abgesegnet werden», kritisierte Pfeil. Er und der ebenfalls ausgeschiedene Ex-Continental-Chef Manfred Wennemer «sollten das Feigenblatt sein. Dabei haben wir nicht mitgespielt.»
Suche nach Chefkontrolleur bis Jahresende
Noch vor Jahresende soll die Suche nach einem Aufsichtsratsvorsitzenden für Opel einem Zeitungsbericht zufolge abgeschlossen werden. Nach Informationen der «Welt am Sonntag» gibt es offenbar mindestens zwei Kandidaten für den Posten des Aufsichtsratschefs. Die Entscheidung über den künftigen Chefkontrolleur könnte bereits auf der kommenden Aufsichtsratssitzung fallen, berichtete das Blatt vorab unter Berufung auf mit den Vorgängen vertraute Kreise. Das ursprünglich für den 19. November vorgesehene Treffen des Kontrollgremiums sei in den Dezember verschoben worden.
Nach Informationen der «Automobilwoche» hat der ursprüngliche Kandidat für den Posten, Bob Lutz, kaum Chancen. Lutz sei bei den Arbeitnehmervertretern nicht durchzusetzen, sagte ein mit dem Vorgang Vertrauter dem Blatt zufolge.
Der bisherige Opel-Aufsichtsratsvorsitzende Carl-Peter Forster war vor einigen Tagen aus dem Amt ausgeschieden. Forster, der lange Jahre auch Opel-Vorstandschef war, hatte sich für den Verkauf des Rüsselsheimer Autobauers an das Konsortium um den kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna ausgesprochen. Anfang November hatte sich der Mutterkonzern dann entschlossen, die deutsche Tochtergesellschaft eigenständig zu sanieren. (ap/ddp)