Essen. Hauptsache Arbeit. Um überhaupt in Lohn und Brot zu stehen, müssen immer mehr Menschen schlecht bezahlte Jobs annehmen. 6,5 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland unterhalb der Niedriglohnschwelle. Besonders viele berufstätige Frauen können ihr Leben kaum finanzieren.

6,5 Millionen Menschen – mehr als jeder fünfte abhängig Beschäftigte – arbeiten ungeachtet ihrer Qualifikation für Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohnschwelle von 9,62 Euro in Westdeutschland und 7,18 Euro in Ostdeutschland. Davon bekommt jeder Dritte weniger als sechs Euro brutto. Zwei Drittel der Niedriglohnjobber sind weiblich. Das zeigt die jüngste Studie zur Niedriglohnbeschäftigung im Jahr 2007 des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen (IAQ).

Besonders Frauen sind betroffen

„Frauen werden gefangen gehalten im System Mini-Job. Schafft die Mini-Jobs ab", fordert Professor Gerhard Bosch, Leiter des IAQ. Schließlich seien Frauen nicht nur überproportional von Niedriglöhnen betroffen, deren Grenze von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) definiert wird. Alles das, was prekäre – unsichere – Beschäftigung ausmache, treffe zusätzlich auf die Mehrheit dieser Beschäftigten zu: wenig Geld, befristete Verträge, unfreiwillig niedrige Arbeitszeit.

„Die Frauen können ihr Leben aus eigener Erwerbstätigkeit nicht finanzieren", sagte Bosch. Aufstockungszahlungen der Arge, also Arbeitslosengeld II, seien erforderlich.

Bei Frauen in NRW konzentriere sich die Niedriglohnbeschäftigung deutlich in Minijobs (42,7 Prozent). In absoluten Zahlen waren das 900 000 Frauen.

NRW bei "Unter-5-Euro-Jobs" über Bundesschnitt

Laut IAQ arbeiten 17,7 Prozent der Niedriglohnbeschäftigten in NRW im Gesundheitswesen, 16,8 Prozent im Einzelhandel und 10,7 Prozent als Leiharbeiter für Unternehmen. Bei den „Unter-5-Euro-Jobs" liegt NRW nach Aussage von IAQ-Leiter Bosch deutlich über dem Bundesschnitt. In Wachdiensten, im Gaststättengewerbe und bei Reinigungsfirmen seien solche Kurse keine Seltenheit.

„Das Lohnspektrum franst nach unten weiter aus", erklärt der Volkswirt. Als Grund nennt er den nicht vorhandenen Mindestlohn, den Union und FDP bislang als Jobkiller ablehnen. „Im Vergleich mit westeuropäischen Ländern wie Frankreich oder den Benelux-Staaten sieht Deutschland alt aus", sagt Bosch.

Der Anteil der Niedriglohn-Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung stieg nach Angaben der Duisburger Forscher – von 58,5 Prozent im Jahr 1995 auf 70,8 Prozent im Jahr 2007.

Nimmt man die Arbeitnehmer mit einem akademischen Abschluss hinzu, sind vier von fünf Niedriglohn-Beschäftigten qualifiziert. Laut Studie wuchs die Zahl der Niedriglohn-Beschäftigten seit 1995 insgesamt um 2,1 Millionen. Im Jahr 2007 lag sie um 350 000 höher als 2006.