Was Frauen und Männer in Kauf nehmen, um arbeiten zu dürfen. Trotz Studiums: wenig Lohn, viel Stress, kaum Sicherheit.

Prekäre, also unsichere Beschäftigung hat viele, meistens weibliche Gesichter. Die Frauen beklagen sich - nur niemals öffentlich. Die Hoffnung, vielleicht doch fest angestellt zu werden, stirbt zuletzt. Wir sprachen mit Betroffenen, die trotz Ausbildung oder Hochschulstudiums wenig verdienen, unfreiwillig wenig arbeiten und nur befristet beschäftigt sind. Frauen, die bei 6,50 Euro Stundenlohn 61,5 Stunden arbeiten müssten, um am Ende 400 Euro einzustreichen. Ein Leiharbeitnehmer aus Essen beschreibt es so: „Du fühlst dich schlecht. Du bist der Hiwi. Du bist nur zweite Klasse.”

Sie ist keine Hilfsarbeiterin. Im Gegenteil. Die 30-Jährige ist stolz auf ihr Diplom. Sie hat Ökonomie studiert.

Doch genutzt hat ihr der Abschluss herzlich wenig. „Direkt nach dem Studium hatte ich einen festen Job. Doch die Firma ging pleite.” Damals schrieb sie noch munter Bewerbungen und ahnte nicht, welcher Weg für sie bestimmt sein würde. Nach 100 Absagen, vielen Tränen und noch mehr Zukunftsängsten stellte sie fest: „Als Frau im gebärfähigen Alter will dich niemand haben.”

Schließlich heuert sie bei einer Leiharbeitsfirma an. Bloß nicht arbeitslos sein, bloß nicht abrutschen. Und plötzlich klappte es mit dem Job. „Natürlich. Du verdienst ja deutlich weniger als die Stammbelegschaft. Außerdem können sie dich jederzeit loswerden.” All' das nimmt sie bis heute in Kauf. Sie wird in verschiedenen Orten eingesetzt. Fährt zum Teil 200 Kilometer am Tag. Ihr aktueller, inzwischen siebter (Leih-)Arbeitgeber, ein international tätiger Konzern, beschäftigt viele Akademiker als Leiharbeiter. „Ich möchte übernommen werden”, sagt die Frau. Um Sicherheit zu haben. Für die Lebensplanung. Für das Konto. „Ich hab' mich sooft an neue Gesichter gewöhnt. Hab' alles geschluckt. Aber irgendwann reicht es dir.” Fazit: Leiharbeit muss man sich leisten können - finanziell wie emotional.

Auch diese Frau ist keine Hilfsarbeiterin. Doch sie fühlt sich nicht wie eine, die man wertschätzt, die man ernst nimmt in ihrem Knochenjob. Dabei hat es die gelernte Verkäuferin schon weit gebracht. Für Schlecker-Verhältnisse gehört sie mit 12,67 brutto Stundenlohn zu den Spitzenverdienerinnen. Die Frau ist eine von 35 000 Beschäftigten der Anton Schlecker GmbH. „Hier ist doch jeder froh, überhaupt Arbeit gefunden zu haben. Hier beschwert sich niemand.”

Ihr Job ist Fließbandarbeit: Schwere Paletten mit Tausenden Shampoo-Flaschen oder Katzen-Futter-Dosen abladen und in die Regale räumen, kassieren, beraten, putzen, Kasse machen. Alles alleine in einer 150 Quadratmeter großen Filiale - manchmal unterstützt von einer Aushilfe. „Das ist okay. Solange das Geld stimmt.” Mit Überstunden eingerechnet kam die Mitt-Vierzigerin auf 1200 Euro netto im Monat. Doch bei Schlecker, so berichtet sie, wird Mehrarbeit ab August von Aushilfen -Leiharbeiterinnen - geleistet. Dann bleiben noch 800 Euro.

Arbeit auf Abruf

geht an die Substanz

„Davon kann ich nicht leben.” Ihren Kindern wird sie in Zukunft noch häufiger als bisher erklären müssen: „Geht nicht, gibt's nicht.” Schon heute dreht sie jeden Cent um. Da ist nichts außer der Reihe drin. Kein teures Parfüm, keine schicken Schuhe. Den Gedanken, demnächst bei derJobCenter Arge finanzielle Hilfe beantragen zu müssen, verdrängt sie. Ihre jungen Kolleginnen haben das schon hinter sich. „Die Neuen werden als Aushilfen bezahlt. 6,50 Euro die Stunde.” Das sind die Mini-Jobberinnen, die Geringfügigen, die auf 400-Euro-Basis. Die, die Hartz-IV beziehen.

Dieser Mann, der auch zu den „Prekären” gehört, fordert gleiches Geld für gleiche Arbeit. Bis vor kurzem war er als Leiharbeitskraft beschäftigt. Er verdiente ein Drittel weniger als sein „regulärer” Kollege. „Ich bin Facharbeiter und leiste gute Arbeit. Als Leiharbeiter umso mehr. Du hängst dich doch rein. Du willst den Job haben.” Nur bei Bedarf beschäftigt zu werden, stört den Mann. Die ständige Drohung, bald arbeitslos zu sein, „macht mich fertig.”