Potsdam. Die Bundesregierung hat sich erfreut über die jüngsten Arbeitsmarktzahlen gezeigt. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) nannte den nur moderaten Anstieg um 52.000 auf 3,46 Millionen Joblose im Juli "bemerkenswert". Experten erwarten zum Jahresende aber 4 Millionen Arbeitssuchende.
Die Bundesregierung hat sich erfreut über jüngsten Arbeitsmarktzahlen gezeigt. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) nannte die Zahlen «bemerkenswert». Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage handele es sich sogar um «eine kleine Sensation». Ohne die Ausweitung der Kurzarbeit und anderer Maßnahmen hätte es «große Einbrüche» auf dem Arbeitsmarkt gegeben, er am Rande der SPD-Klausur in Potsdam.
Auswirkungen des Abschwungs "moderat"
Der Arbeitsmarkt zeigte sich auch im Juli trotz der Wirtschaftskrise relativ stabil. Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag in Nürnberg mitteilte, waren im Juli 3,462 Millionen Menschen offiziell arbeitslos gemeldet. Das waren 52.000 mehr als im Vormonat und 252.000 als im Juni 2008. «Insgesamt sind die Auswirkungen des Abschwungs aber vergleichsweise moderat», sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise.
Weise sagte, er gehe nach wie vor davon aus, dass die weltweite Wirtschaftskrise noch nicht überstanden ist. «Wir werden steigende Arbeitslosigkeit im Herbst und im Winter haben», sagte er N24. Tröstlich sei, dass die politischen Reformen und das Bemühen der Menschen, flexibel und mobil zu sein, die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern doch noch relativ niedrig halte.
100.000 unbesetzte Lehrstellen
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla betonte ebenfalls, dass die Maßnahmen der Bundesregierung den Arbeitsmarkt stabilisierten. Dennoch gebe es «keinen Grund, sich zurückzulehnen». Zugleich verwies er darauf, dass eine gute Ausbildung die beste Vorsorge gegen Arbeitslosigkeit sei. Daher müsse in den kommenden Wochen im Mittelpunkt stehen, jedem Jugendlichen eine Chance auf einen Ausbildungsplatz zu gewähren.
Nach Ansicht des DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann fehlt es trotz der Krise nicht an Lehrstellen, sondern an Bewerbern. Laut den Daten der BA gehe die Zahl der Bewerber stärker zurück als die der gemeldeten Ausbildungsstellen. Ende Juli seien noch rund 100 000 unbesetzte Ausbildungsstellen registriert gewesen.
Arbeitsmarkt reagiert mit Verzögerungen auf Krise
Zugleich rechne er nicht mit einem schnellen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Allerdings könne bis zum Jahresende die Vier-Millionen-Marke erreich sein. Im Deutschlandradio Kultur sagte er weiter, dass es in einigen Unternehmen notwendig sein werde, über Entlassungen nachzudenken, «aber der Umfang wird nicht so groß sein, wie er häufig angegeben wird».
Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln, verwies darauf, dass Arbeitsmarkt der konjunkturellen Entwicklung nachlaufe. «Das heißt, was in der Produktion bei den Auftragseingängen schon lange passiert ist, kommt mit Verzögerung von ein, zwei Quartalen beim Arbeitsmarkt an», sagte er im WDR5. Allerdings gebe «in der Tat auch eine gewisse Chance», dass die Kurzarbeiterlösung "als eine Abfederung, auch funktioniert», sagte er im WDR5.
Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, verwies dagegen darauf, dass die Arbeitslosigkeit im Osten fast doppelt so hoch wie im Westen sei. Zugleich forderte er eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I, «um das Abrutschen von Tausenden in »Hartz IV« zu verhindern» sowie einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.
"statistischer Pyrrhus-Sieg"
Für den Arbeitsmarktexperten der FDP-Bundestagsfraktion Dirk Niebel ist der «starke Anstieg im Juli ist mehr als ein Warnsignal». Die massive Ausweitung von Kurzarbeit habe zwar Entlassungen verhindert, aber auch die notwendigen strukturellen Anpassungsprozesse.
Volkswirt Alexander Koch von UniCredit sprach von einem «statistischen Pyrrhussieg». Zahlreiche Beschäftigte, die jetzt noch in Kurzarbeit seien, würden schließlich doch noch in der Arbeitslosigkeit landen. «Bis Mitte nächsten Jahres dürften rund 4,5 Millionen Menschen arbeitslos sein», sagte Koch voraus. (ddp)