Essen/Castrop-Rauxel. RWE reagiert auf Proteste. Der Energieversorger will die rund 120.000 Festpreis-Kunden entlasten, an denen die drei Gaspreis-Senkungen 2009 vorbei gingen. Das neue Angebot soll ab Oktober gelten.
Etwa 120 000 Kunden des zweitgrößten deutschen Energieversorgers, an denen die drei Gaspreis-Senkungen 2009 vorbei gingen, sollen ab Oktober entlastet werden – um jährlich 200 Euro pro Musterhaushalt mit 20 000 Kilowattstunden Verbrauch. Das kündigte RWE auf Anfrage an.
Die Haushalte – im Kreis Recklinghausen und im Sauerland, wenige im Raum Rhein-Ruhr – hatten auf dem Höhepunkt der Gaspreis-Aufwärtsspirale im Sommer 2008 den Vertrag „RWE Erdgas 2011” abgeschlossen. Er sollte ihnen drei Jahre lang einen Gaspreis von 8,10 Cent pro Kilowattstunde garantieren.
Formfehler vor Gericht
In der Zwischenzeit senkte RWE Westfalen-Weser-Ems aber dreimal den Gaspreis. Aktuell, so ein Sprecher, koste die Kilowattstunde 5,69 Cent. Kunden mit Garantie-Vertrag, den sie in der Absicht zu sparen abgeschlossen hatten, zahlen also rund 30 Prozent mehr als Gas-Bezieher, die den konventionellen Tarif buchten.
„Wir wollen diesen Kunden entgegen kommen”, sagte ein Sprecher von RWE Westfalen-Weser-Ems. „Ende nächster Woche erhalten sie ein neues Angebot. Das hat der Vorstand beschlossen.”
Das Einlenken des Energieriesen hat einen weiteren Hintergrund: Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale NRW enthalten die Verträge „RWE Erdgas 2011” Formfehler, die die Kunden jederzeit berechtigten zu kündigen und auf günstigere Tarife oder andere Anbieter umzusteigen. „Die RWE-Belehrung auf Widerruf des Vertrages war nicht in Ordnung, weil nur ein Postfach und keine richtige Postadresse angegeben wurden”, sagte Peter Blenkers von der Verbraucherzentrale NRW. Und: Einige Gasbezieher hätten von RWE keine Auftragsbestätigung erhalten, obwohl das schriftlich zugesagt gewesen sei. Blenkers: „RWE ist jetzt in der Beweispflicht.”
Die Verbraucherzentrale empfiehlt den 120 000 „Garantie”-Kunden deshalb, sofort die „RWE Erdgas 2011”-Verträge zu kündigen und nicht die eigentliche Kündigungsfrist Ende August 2010 abzuwarten. Die örtlichen Beratungsbüros halten Musterbriefe vor.
„Die Leute sind sauer”, gibt Angelika Weischer von der Verbraucherzentrale Castrop-Rauxel die Stimmung wieder. Sie zählte seit Anfang Juli weit über 100 RWE-Kunden, die bei ihr Rat suchten. Weischer empfiehlt: Den Festpreis-Vertrag sofort widerrufen und Schadensersatz fordern.
In der Dortmunder Zentrale der RWE Westfalen-Weser-Ems gibt man sich allerdings gelassen: „Unsere Verträge sind juristisch sauber”, sagte der Sprecher. Ob es ein Sonderkündigungsrecht für die Kunden gebe, lasse das Unternehmen gerade vom Landgericht Dortmund klären. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Fall beim Bundesgerichtshof lande.
Eine Protestlawine der Festpreis-Kunden vermag der RWE-Sprecher nicht zu erkennen: „Uns liegen keine 50 Beschwerden vor. Es gibt auch nur wenige Anfragen.” Verständnis für die Kunden, die den Garantie-Vertrag in Erwartung weiter steigender Gaspreise abgeschlossen haben, zeigte er dennoch. Zumal im Frühjahr ein früheres Festpreis-Angebot auslief, das auf eineinhalb Jahre befristet war. Der RWE-Sprecher: „Dieser Vertrag endete durch Zufall zu einem Zeitpunkt, als der Gaspreis niedrig war. Davon profitierten die Kunden.”