Essen. Fünf Milliarden Euro Abwrackprämie schüttete der Staat unters Volk. Die Deutschen wrackten fleißig ab. Nun ist das Geld fast aufgebraucht und zwei Millionen neue Wagen verkauft. Die Abwrackprämie, der Knüller des Jahres - aber nicht für jeden: DerWesten zeigt die Gewinner und Verlierer.
Die Profiteure: 1. Autokäufer
Wer gibt schon nicht gerne sein altes Auto für 2500 Euro ab, vor allem wenn die Rostlaube dieses Geld schon lange nicht mehr wert ist? 2500 Euro zahlte der Staat jedem, der sein mindestens neun Jahres altes Auto verschrottete und sich einen Neuwagen bzw. Jahreswagen zulegte. Fünf Milliarden Euro ließ sich der Staat die Abwrackprämie kosten und löste damit einen regelrechten Kaufrausch aus. Für zwei Millionen Anträge reicht das Geld, und die werden bis schätzungsweise Anfang September gestellt sein. Dann ist der Topf leer. Hinzu kommt: Selten kamen Autokäufer so günstig an einen Neuwagen wie in den vergangenen Monaten. Denn neben der Umweltprämie, wie sie offiziell genannt wird, heizten die Autohersteller den Kaufrausch zusätzlich mit hohen Rabatten an.
Die Abwrackprämie rettet das Konsumklima
Die Profiteure: 2. Autobauer
Dank der Prämie verkauften die Autobauer in Deutschland so viele Neuwagen wie lange nicht. Die Absatzzahlen schossen von Januar bis Juli im Vergleich zum Vorjahr um 26,6 Prozent in die Höhe. Dem Umsatz der in Deutschland produzierenden Hersteller hat das allerdings weniger genutzt. Der ging um 20 Prozent zurück, weil sich die Käufer auf die billigen Kleinwagen stürzten. Dieses Segment wuchs in den ersten sieben Monaten um 77 Prozent. Dagegen brach die Nachfrage nach den teuren Oberklasse-Wagen um fast ein Drittel ein.
Von den Geldgeschenken des deutschen Steuerzahlers profitierten vor allem die ausländischen Hersteller: Fiat, Hyundai, Toyota und Renault steigerten ihre Verkaufszahlen bei einzelnen Modellen dreistellig. Dennoch können auch die deutschen Hersteller Volkswagen und Opel zufrieden sein. Opel beispielsweise brachte 32 Prozent mehr Neuwagen an den Mann als vor einem Jahr.
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Die Profiteure: 3. Autohändler
Beim Zentralverband des Deutschen Kfz-Gewerbes fällt die Bilanz eindeutig aus: „Für den Autohandel war die Abwrackprämie ein Segen“, sagt dessen Sprecherin Claudia Schiffer. Der Verband vertritt 20.000 Händler in Deutschland und nennt die Prämie einen „politischen Volltreffer“. Immerhin machten die Händler in den ersten fünf Monaten des Jahres 4,7 Prozent mehr Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, so das Statistische Bundesamt.
Die Händler setzen aber auch auf einen langfristigen Effekt: Denn in den Autohäusern tauchten in den vergangenen Monaten Menschen auf, die noch nie bzw. lange kein Autohaus mehr von innen gesehen haben. Von solchen „Neukundenkontakten“ erhoffen sich die Händler auch in Zukunft den einen oder anderen Euro. Schließlich müssen die neuen Wagen früher oder später zum Service in die Werkstatt.
Die Profiteure: 4. Verschrotter
Die Autoverwerter machten dank Abwrackprämie wahrscheinlich das Geschäft ihres Lebens. „Uns hat sie richtig geholfen“, heißt es beispielsweise bei der Autoverwertung Franz Maag in Essen. Kamen in normalen Jahren rund 1200 Fahrzeuge zum Ausschlachten und Verschrotten auf den Hof, sind es in den ersten sieben Monaten bereits 3500. Entsprechend voll sind die Ersatzteillager der Firma. „Die Abwrackprämie wird uns damit auch längerfristig helfen“, so ein Mitarbeiter. Auch die Qualität der Ersatzteile dürfte gestiegen sein. Schließlich verschrotten Menschen ihr Auto, das in normalen Zeiten noch weiter gefahren wäre.
Die Profiteure: 5. Arbeitsmarkt
Kurzfristig hat die Prämie auch dem Arbeitsmarkt geholfen. Drei Beispiele:
1. Die Mitarbeiter von Opel, Volkswagen und Ford hatten dank der hohen Nachfrage gut zu tun. Die Hersteller konnten somit die Kurzarbeit in ihren Werken deutlich zurückfahren oder sogar ganz aussetzen. Und der Staat sparte das Kurzarbeitergeld.
2. Die Verschrotter haben ebenso alle Hände voll zu tun. Franz Maag in Essen beispielsweise musste zwei neue Mitarbeiter einstellen, um der Masse an Abwrackautos Herr zu werden.
3. Auch beim Bundesamt für Ausfuhrkontrolle löste die Prämie einen, wenn auch kurzfristigen Beschäftigungsboom aus: 180 neue Mitarbeiter wurden befristet eingestellt, um die Anfragen und die Berge von Anträgen abzuarbeiten.
Die Profiteure: 6. Die Umwelt
Offiziell heißt die Abwrackprämie Umweltprämie. Doch hat sie diesen Namen wirklich verdient? Ulrich Höpfner vom unabhängigen Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg kommt zu einem eindeutigen Schluss: Seine aufgestellte Umweltbilanz der Abwrackprämie ist positiv. So sei der Schadstoff-Ausstoß der neuen Wagen 90 bis 95 Prozent geringer als der der abgewrackten Fahrzeuge. Auch die Kohlendioxid-Belastung ging demnach zurück – vor allem, weil die Menschen auf Kleinwagen umgestiegen sind. 2008 hatten die neu zugelassenen Fahrzeuge im Durchschnitt einen CO2-Ausstoß von 167 Gramm pro Kilometer, so Höpfner. In diesem Jahr sank der Wert auf 155 Gramm und damit um rund sieben Prozent. Als dritten Umwelteffekt nennt Höpfner die geringere Lärmbelastung.
Die Energiebilanz fällt nach Höpfners Berechnungen selbst dann noch positiv aus, wenn man die Herstellung des Neuwagens einrechnet. Denn die Neufahrzeuge würden meist deutlich weniger Sprit verbrauchen als die alten und machen somit die „weggeworfene“ Energie mehr als wett.
Die Verlierer: 1. Freie Werkstätten
Bei der freien Werkstattkette ATU hat die Abwrackprämie keine Jubelsprünge ausgelöst. Der Umsatz des Unternehmens liegt nach Angaben eines Sprechers leicht unter dem des Vorjahres. Inwieweit das alles auf die Abwrackprämie zurückzuführen ist, könne man zwar nicht eindeutig sagen. Aber Fakt sei: „Wir haben von der Abwrackprämie nicht profitiert“, so der ATU-Sprecher. Erste Zahlen des Statistischen Bundesamtes bestätigen diesen Eindruck. Die deutschen Reparaturwerkstätten könnten zu den Verlierern der Prämie zählen, weil mehr Neuwagen natürlich weniger Reparaturen bedeuten. Ihr Umsatz ging in den ersten fünf Monaten um 3,8 Prozent zurück.
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Die Verlierer: 2. Gebrauchtwagen-Händler und private Gebrauchtwagen-Verkäufer
Wer seinen Gebrauchten derzeit verkaufen will, erlebt sein blaues Wunder. Die Nachfrage nach Gebrauchtwagen ist im Keller, die Preise dementsprechend auch. Schließlich haben sich potenzielle Interessenten für Neuwagen bzw. Jahreswagen entschieden. Nach Angaben von EurotaxSchwacke bekam vor einem Jahr noch rund 4000 Euro mehr für seinen drei bis fünf Jahre alten Mittelklassewagen. Einzig die Restwerte bei Jahreswagen seien wegen der Abwrackprämie konstant geblieben.
Auch wenn der Gebrauchtwagenmarkt schon seit längerem schwächelt, die Abwrackprämie hat diesen Trend noch verstärkt. EurotaxSchwacke rechnet damit, dass die Preise vor allem für größere Modelle bis Mitte nächsten Jahres weiter fallen werden.
Die Verlierer: 3. Der Steuerzahler
Aus Sicht des Bundes der Steuerzahler NRW ist die Abwrackprämie für die Allgemeinheit der deutschen Steuerzahler kein Erfolgsmodell gewesen. Da die 5 Milliarden Euro kreditfinanziert sind, führen sie zu einer höheren Verschuldung, die die Steuerzahler noch einige Jahre belasten wird. Hans-Ulrich Liebern vom Steuerzahlerbund NRW geht außerdem davon aus, dass die staatlichen Mehrausgaben auch durch die positiven Effekte nicht aufgefangen werden. Unterm Strich, so Liebern, wird ein Betrag beim Staat und damit beim Steuerzahler hängen bleiben.