Essen. Warum ausgerechnet im Saarland die erste Jamaika-Koalition möglich wurde und warum gerade die Bundes-Grünen peinlich berührt tun und den Eindruck eines Betriebsunfalls erwecken. Ein Kommentar.
Zugegeben, das Saarland ist kaum größer als anderswo die Landkreise. Gemessen daran, nehmen sich die Landespolitiker manchmal arg wichtig. Das ändert aber nichts daran, dass im kleinsten deutschen Flächenstaat Geschichte geschrieben wurde. CDU und FDP auf der einen, die Grünen auf der anderen Seite - trotz mancher kommunaler Annäherung ist eine solche Koalition immer noch stark begründungsbedürftig, und zwar in erster Linie für die Grünen. Dabei geht es weniger um die Öffentlichkeit als vielmehr um die eigene Basis. Und es geht kaum um Inhalte, sondern um Kulturen und Milieus, um politische Signale.
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Leserdiskussionen zum Wahljahr 2009
Die Inhalte? Sie sind für eine CDU, deren weltanschauliches Koordinatensystem von der Vorsitzenden geschreddert wurde, das kleinste Problem. Keine Studiengebühren mehr, Verzicht auf Kohlekraftwerke, weniger Selektions-Stress in den Schulen – darf's noch etwas mehr sein? Die ohnehin traditionell linke Saar-Union räumte Positionen schneller als die Grünen Forderungen stellen konnten. Nicht der Rede wert ist auch die liberale Prinzipientreue der schwachen Saar-FDP, und umgekehrt fehlen bei den Landesgrünen linke Hitzköpfe. Seit langem lief an der Saar deshalb vieles auf Jamaika hinaus. Die Rückkehr seines Intimfeinds Oskar Lafontaine in die Landespolitik war für Grünen-Chef Hubert Ulrich eine willkommene Zusatz-Begründung seiner Pläne, keinesfalls aber die Ursache.
Jamaica als Betriebsunfall
Die Bundes-Grünen sind dennoch bemüht, Jamaika als Experiment, ja als Betriebsunfall darzustellen. Verständlich. Renate Künast und Jürgen Trittin sind wie der Großteil der grünen Funktionäre kulturell und von ihrem Lebensgefühl her links verortet. CDU, vor allem FDP sind da nur mühsam satisfaktionsfähig, was abgeschwächt auch umgekehrt gilt. Zwischen linksliberalen grünen Bildungsbürgern und FDP-nahen Leistungsträgern mag es Gemeinsamkeiten der Herkunft geben, die Chemie stimmt deshalb noch lange nicht.
Ist das so schlimm? Eigentlich nicht. Politik lebt von Gegensätzen, auch solchen grundsätzlicher Art. Wenn in Deutschland bald alle mit fast allen koalieren können, mag das in einem strukturkonservativen, streitunlustigen Land Beifall finden. Der Preis der Konsenssoße könnte jedoch glattgeschliffenes Mittelmaß sein, müdes Lavieren an den Problemen vorbei, stets den kleinsten gemeinsamen Nenner im Auge.
Machtpolitisch und kurzfristig betrachtet hat Jamaika freilich erst einmal Vorteile für die beteiligten Parteien: Sie haben eine Option mehr. Bei den Grünen mag das noch Unbehagen hervorrufen. Angela Merkel, die Ingenieurin der Macht, ist da schon weiter.