Berlin. Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat den Schlusstrich unter den umstrittenen Luftschlag am 4. September in Kundus auf zwei gekaperte Tanklastwagen gezogen.
Bis das juristische Nachspiel im Sande verläuft, wird es noch ein paar Monate dauern. Den militärisch-politischen Schlussstrich unter den umstrittenen Luftschlag am 4. September in Kundus auf zwei gekaperte Tanklastwagen zog gestern der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).
Der Befehl von Bundeswehr-Oberst Georg Klein sei „militärisch angemessen” gewesen. Die Wortwahl deckt sich buchstabengenau mit der Wertung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan. Der neue zivile Oberbefehlshaber der Truppe schließt die Reihen. Die Militärs sind zufrieden mit ihrem neuen Chef.
Es hätte auch anders kommen können. Der Nato-Geheimbericht lässt weitere Schlussfolgerungen zu. „Der Angriff war eine eindeutige Fehlentscheidung”, urteilt etwa SPD-Militärexperte Rainer Arnold gegenüber der WAZ.
Gefahr in Verzug gab es nicht
Wie zu Guttenberg hat auch Arnold den Nato-Bericht ausführlich gelesen. Es sei weder Gefahr in Verzug gewesen noch hätten sich deutsche oder andere verbündete Bodentruppen am 4. September nahe dem deutschen Stützpunkt in Kundus im Umkreis der beiden gekaperten Tanklaster aufgehalten. Beides sind laut Nato-Einsatzregeln unabdingbare Voraussetzung für einen Raketenangriff aus der Luft.
Bundeswehr-Oberst Georg Klein hatte als Kommandeur in Kundus in der Nacht zum 4. September einen Luftangriff auf zwei von den radikal-islamischen Taliban entführte Tanklaster angefordert.
Anders als sein Vorgänger räumt der neue Verteidigungsminister inzwischen „Verfahrensfehler” und „Auswertungsmängel” ein. Zu Guttenberg gelangt trotzdem mit eigener Logik zu einem anderen Ergebnis: Rechne man alle Fehler aus der verhängnisvollen Befehlskette heraus, „hätte es zum Luftschlag kommen müssen”. Die „Gesamtschau der Umstände” lasse keine andere Deutung zu, urteilte zu Guttenberg, „ich habe die Abwägung selbst vorgenommen.” Eine andere Frage bleibt dann immer noch im Raum stehen: Hätte es so viele Opfer geben müssen? Bis zu 142 Menschen töteten laut Nato-Bericht die Raketen auf deutschen Befehl, darunter 30 bis 40 Zivilisten.
Keine disziplinarischen Konsequenzen
„Unklare und veraltete Einsatzregeln” tragen laut zu Guttenberg Mitschuld am Einsatzbefehl. Jetzt müssten Konsequenzen gezogen werden. Die Ausbildung der Kommandeure müsse „unverzüglich” nachgebessert werden. Vor Ort in Afghanistan will sich zu Guttenberg demnächst persönlich ein Bild vom häufig kritisierten Ausrüstungsstand der Truppe machen.
Disziplinarische Konsequenzen drohen Oberst Klein nicht. Zunächst will zu Guttenberg den Ausgang der Prüfung durch die Staatsanwälte abwarten. Weil mit dem Amtsantritt von zu Guttenberg in Afghanistan jetzt auch offiziell „kriegsähnliche Zustände” herrschen, muss sich Oberst Klein voraussichtlich nicht mehr am Zivilrecht, sondern am Völkerrecht messen lassen. Der Vorwurf eines Kriegsverbrechen lässt sich aber nach allgemeiner Einschätzung mit den Vorgängen am 4. September in Kundus nicht begründen.