Kabul. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat bei einem Überraschungsbesuch in Afghanistan Forderungen an die Regierung von Präsident Karsai gestellt. Deutschland stehe zu seinem Engagement, wolle aber wissen, welche Schritte die afghanische Regierung plane: "Wir müssen Erfolge sehen."
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat während eines Besuchs in Afghanistan die dortige Regierung aufgefordert, klare Ziele für die weitere Entwicklung des Landes zu benennen. In Kabul sprach Guttenberg mit Präsident Hamid Karsai, seinem Kollegen Abdul Rahim Wardak und dem US-Kommandeur der NATO-Truppe ISAF, Stanley McChrystal. In Masar-i-Scharif stand ein Treffen mit Bundeswehrsoldaten auf dem Programm.
Besuch war nicht angekündigt
Zum Auftakt seines aus Sicherheitsgründen nicht angekündigten Afghanistan-Besuchs traf Guttenberg in Kabul mit dem deutschen Botschafter Werner Hans Lauk, Beamten der EU-Polizeimission (EUPOL) sowie Mitarbeitern deutscher Stiftungen und Entwicklungshilfeorganisationen zusammen. Im Hauptquartier der ISAF-Truppe fand eine Begegnung mit deren Befehlshaber McChrystal statt.
Vor dem Weiterflug nach Masar-i-Scharif sagte Guttenberg, die Regierung Karsai müsse «jetzt in Vorlage treten» und vor der Anfang kommenden Jahres geplanten internationalen Afghanistankonferenz «vernünftige Zielsetzungen» festlegen. «Wir stehen zu unserem Einsatz, aber wir wollen wissen, was die afghanische Regierung als nächste Ziele plant», sagte der Minister. Die Regierung in Kabul müsse erklären, wie sie für ihre eigene Sicherheit sorgen wolle. "Wir müssen Erfolge sehen", sagte Guttenberg.
Gedenken an getötete Bundeswehrsoldaten
Im Ehrenhain von Masar-i-Scharif gedachte Guttenberg anschließend der beim Einsatz in Nordafghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten. Am Freitag wollte der Minister dem bei Kundus gelegenen Wiederaufbauteam (PRT) der Bundeswehr einen Besuch abstatten. Der Bundestag entscheidet im Dezember über eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr.
Die NATO will die Verantwortung für die Sicherheit am Hindukusch bereits ab 2010 an die Afghanen übergeben. Das kündigte der Generalsekretär der Militärallianz, Anders Fogh Rasmussen, nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Gordon Brown in London an. «Solch eine Übergabe kann schon nächstes Jahr in einigen Bezirken Afghanistans beginnen», sagte Rasmussen dem Fernsehsender Sky News. Davon könnte nach Angaben aus der NATO auch die Bundeswehr betroffen sein, die mit bis zu 4500 Soldaten in Nordafghanistan das Oberkommando hat.
Hintergrund für die Übergabepläne ist der immer lauter werdende Ruf nach einem Abzug aus Afghanistan in vielen der 28 Mitgliedstaaten der Militärallianz. Die NATO will den afghanischen Sicherheitskräften deshalb schrittweise die Verantwortung übergeben. McChrystal zufolge müsste die NATO dafür 400.000 afghanische Soldaten und Polizisten ausbilden. Das ist mehr als doppelt so viel wie bisher geplant.
Aufstockung der Truppen nicht ausgeschlossen
Guttenberg hatte vor seinem Antrittsbesuch bei der NATO am Mittwoch in Brüssel eine Aufstockung des deutschen Truppenkontingents in Afghanistan nicht ausgeschlossen. In enger Abstimmung mit den Verbündeten soll dem Minister zufolge zugleich ein Datum für den Abzug festgelegt werden. Die «Sankt-Nimmerlands-Haltung» sei «nicht mehr tragbar».
US-Präsident Barack Obama verlangte in Diskussionen mit seinen Sicherheitsberatern, dass sich Karsais Regierungsführung binnen einer «angemessenen» Frist verbessern müsse. Kabul müsse laut Obama klar signalisiert werden, dass der Militäreinsatz «nicht unendlich» dauern könne, erfuhr AFP aus Regierungskreisen. Einem Bericht der «Washington Post» zufolge rät der US-Botschafter in Kabul, Karl Eikenberry, derzeit von einer größeren Truppenaufstockung ab. (AP/AFP)