Essen. Ein muslimischer Schüler klagte, weil er in der Unterrichtspause beten will, - und bekam Recht. Laut Gericht bedeutet dieses Urteil jedoch keinesfalls, dass Schüler einen Anspruch auf einen festen Gebetsraum haben. An anderen Schulen in NRW wurde das Thema bereits einfacher gehandhabt.
Ein 16-jähriger muslimischer Schüler aus Berlin hat eine Debatte über Gebetsräume an öffentlichen Schulen entfacht. Dabei wollte er nur, wie er vor Gericht beteuerte, in der Unterrichtspause seiner „religiösen Pflicht” nachkommen und beten. Und das darf er auch. So entschied das Berliner Verwaltungsgericht. Die Entscheidung bedeute jedoch nicht, dass die Schule einen Gebetsraum zur Verfügung stellen müsse, sagte Stephan Groscurth, Richter und Pressesprecher des Gerichts, der WAZ.
Ausgelöst hat die Debatte der 16-jährige Yunus M. Er hatte Klage eingereicht, weil ihm die Direktorin des Diesterweg-Gymnasiums untersagt hatte, in der Pause auf dem Schulflur seine Mittagsgebete zu verrichten. Sie hatte sich auf die religiöse Neutralität der öffentlichen Schule berufen. Er und einige Freunde hatten im Flur ihre Jacken ausgebreitet und sich niedergekniet, während Mitschüler zuschauten. Gegen das Verbot klagten er und seine Eltern. In einer Eilentscheidung gab ihm das Verwaltungsgericht 2008 Recht. Seither hatte die Schule ihm einen Computerraum, der in der Pause nicht genutzt wird, zur Verfügung gestellt.
Religionsfreiheit
Für das Gericht ist das wichtig. An Schulen, die so einen Raum nicht haben, gebe es die Möglichkeit zum Gebet eben nicht, so das Gericht. Es habe „eine konkrete Einzelfallabwägung im Rahmen der der Schule jeweils zur Verfügung stehenden Möglichkeit” vorgenommen. Davon sei „keinesfalls ein Anspruch auf einen festen Gebetsraum” abzuleiten, stellt Stephan Groscurth klar.
Die Unionsfraktion im Bundestag begrüßte das Urteil. „Religionsfreiheit umfasst auch das Recht des einzelnen, seinen Glauben zu bekunden”, hieß es. Dagegen sagte der Berliner CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Henkel, Schule müsse neutral bleiben. Ähnlich äußerte sich der Berliner Grünen-Politiker Özcan Mutlu.
NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU) sagte der WAZ, das Urteil bestätige die Praxis in NRW. „Wir wollen es den muslimischen Schülerinnen und Schülern ermöglichen, ihren Glauben in den Schulalltag zu integrieren.” Beispielsweise sollten muslimische Feiertage wie Ramadan- und Opferfest geachtet werden.
Pragmatische Lösungen
Die Erfahrungen in NRW zeigten, dass es den Schulen gut gelinge, vor Ort pragmatische Lösungen zu finden, erklärt die Schulministerin. „Dies gilt auch für den Fall, dass muslimische Schülerinnen und Schüler in den Pausen beten möchten. Wir plädieren für ein Miteinander der Religionen an unseren Schulen und ein Klima des gegenseitigen Respekts.”
Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, die selbst an einer Schule unterrichtet, hat einen „schalen Beigeschmack” bei dem Urteil. „Ich sehe das zwiegespalten”, sagte sie der WAZ. „Die Mehrheit in Deutschland wird denken: Jetzt erstreiten sich die Muslime alles vor Gericht, erst das Schächten, dann das Kopftuch, nun das Beten. Die Frage ist aber, warum muss ein Schüler erst vor Gericht ziehen, um beten zu dürfen? Ob die Muslime sich andererseits jedoch einen Gefallen damit tun, ihr Grundrecht immer vor Gericht zu erstreiten, ist fraglich.”
Ein gutes Beispiel
Die Ditib (Türkisch Islamischen Union) begrüßte den Richterspruch. Es sei „auf jeden Fall ein schönes Signal und wird sich nur fördernd auf die Integration auswirken”, sagte der Ditib-Vorsitzende Sadi Arslan zur WAZ. Es verleihe dem Schüler das Gefühl der Zugehörigkeit und der Akzeptanz.
Eine Schule, die das Problem mit dem Gebet längst gelöst hat, ist das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium in Duisburg-Marxloh. Hier sind von rund 1000 Schülern 60 Prozent Muslime. „Einige Schüler nehmen ihre religiösen Pflichten sehr ernst”, sagt Direktor Lutz Peller. „Wir haben nichts dagegen. Aber wir möchten nicht, dass es im öffentlichen Raum geschieht, weil wir die religiöse Neutralität strikt beachten.” Muslime dürften, in Absprache mit der Schulleitung, bei Bedarf in der Pause einen Gruppenraum nutzen. Auch christliche Schüler nutzten ihn. Ein Beispiel, das Schule machen könnte.