Berlin. Das Land Berlin wird Berufung gegen ein Gerichtsurteil einlegen, das muslimischen Schülern das Recht zuspricht, täglich in der Schule zu beten. Kritiker sehen darin den Neutralitätsgrundsatz der Schulen verletzt - sie seien dadurch faktisch zum Einrichten von Gebetsräumen verpflichtet.
Das Land Berlin will sich die Einrichtung von Gebetsräumen für Schüler muslimischen Glaubens nicht vorschreiben lassen und geht gegen ein entsprechendes Gerichtsurteil vor. „Wir werden Berufung einlegen“, erklärte Bildungssenator Jürgen Zöllner am Donnerstagabend. Er bezog sich dabei auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts vom September. Danach darf ein muslimischer Schüler in seinem Berliner Gymnasium einmal täglich außerhalb der Unterrichtszeit nach islamischem Ritus beten.
Zöllner sagte, er teile zwar den Grundsatz zwischen einer Trennung von Religionsfreiheit und Erziehungsauftrag. „In diesem konkreten Einzelfall bewerte ich jedoch die Glaubwürdigkeit des Klägers und auch die Zumutbarkeit einer Zusammenlegung des Religionsunterrichtes anders.“ Er sei verpflichtet gegenüber allen Schulen in Berlin, diese nicht allein zu lassen, „wenn sie eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen und diese von einem einzelnen in Frage gestellt wird“, sagte Zöllner.
Neutralitätspflicht der Schulen verletzt
Das Urteil des Verwaltungsgerichts hatte bundesweit hohe Wellen geschlagen. Kritiker sahen die Neutralitätspflicht der Schulen verletzt. Damit würden sie faktisch zum Einrichten von Gebetsräumen verpflichtet. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils wurde eine Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen.
Der Berliner Fall war der erste, bei dem sich ein Schüler das Recht auf ein Gebet innerhalb des Schulgeländes erstritten hat. Tatsächlich wurde aber nur festgestellt, dass der 16-Jährige während des Besuchs des Gymnasiums „berechtigt ist, außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein islamisches Gebet zu verrichten“. Der Schulleitung bleibe es überlassen, „organisatorische Vorkehrungen“ zu treffen, falls sie einen demonstrativen oder werbenden Charakter des Gebets befürchte.
Täglich zehn Minuten beten
Das Gericht hatte das Diesterweg-Gymnasium im Stadtteil Wedding bereits im März 2008 mittels einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Schüler vorläufig einmal täglich beten zu lassen. Seitdem ermöglichte die Schule ihm dies in einem knapp 20 Quadratmeter großem Extra-Raum, den er derzeit täglich von 13.30 Uhr bis 13.40 Uhr nutzen darf.
Vorausgegangen war ein Streit zwischen den Eltern des Jungen und der Schulleitung. Die Direktorin hatte dem damals 14-Jährigen verboten, auf dem Schulflur zu beten, und auf die Neutralität der Schule verwiesen. Der Junge hatte sich jedoch auf seine Pflicht zum fünfmaligen Gebet am Tag berufen und geklagt. Die Richter gaben ihm Recht. Die Schule müsse dem Kläger ein ungestörtes Beten in einem für andere nicht ohne weiteres zugänglichen Raum ermöglichen. (ap)