Berlin. Der Zentralrat der Ex-Muslime findet das Urteil, Muslimen in den Schulen das Beten zu ermöglichen, "beschämend". Der Wunsch des Jugendlichen werde instrumentalisiert. Die CDU- und FDP-Fraktion im Bundestag begrüßen dagegen das Verwaltungsgerichtsurteil.
Das Schulgebetsurteil schlägt hohe Wellen. Politiker verschiedener Parteien sowie der Deutsche Philologenverband kritisierten am Mittwoch die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, nach der ein 16-jähriger Muslim außerhalb der Unterrichtszeit an seinem Gymnasium nach islamischem Ritus beten darf. Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung betonte, man behalte sich die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht vor. Bundespolitiker von CDU und FDP begrüßten die Entscheidung dagegen.
Der bildungspolitische Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Özcan Mutlu, bezeichnete das Urteil vom Dienstag als «integrationspolitisch falsches Signal». Er betonte im Deutschlandradio, keine Religion dürfe in einer staatlichen Einrichtung ein Vorrecht auf ein Gebet bekommen.
CDU: Urteil bringt Stein ins Rollen
Der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Kurt Wansner, erklärte, das Urteil schade der Integration mehr, als damit gewonnen wäre. «Mit dieser Aufkündigung der Neutralität an den Schulen ist ein Stein ins Rollen gebracht worden, der zu einer Zerfaserung und damit Parallelisierung führen kann, die ernsthaft niemand wünscht. Der Senat ist deshalb aufgefordert, gegen das Urteil Berufung einzulegen.»
Auch der Beauftragte der FDP-Bundestagsfraktion für Kirchen Hans-Michael Goldmann äußerte sich positiv: «Das ist praktisch gelebte Religionsfreiheit. Der Staat muss dafür sorgen, dass alle religiösen Gruppierungen, soweit der Schulbetrieb dadurch nicht beeinträchtigt wird, ihren religiösen Bedürfnissen nachkommen können.» Da es an vielen Schulen in Deutschland Stille- und Gebetsräume gebe, sei es nur konsequent, wenn auch Muslime in den Schulen in Ruhe ihrem Gebet nachgehen könnten.
Staatliche Schulen nicht der richtige Ort
Der Zentralrat der Ex-Muslime wertete das Urteil als «beschämend» und einen großen Fehler. «Hier wird der angebliche Gebetswunsch von Schulkindern instrumentalisiert, um den Machtanspruch islamischer Verbände in Deutschland durchzusetzen», sagte die Vorsitzende Mina Ahadi der «Leipziger Volkszeitung» (Donnerstagsausgabe).
Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg erklärte, staatliche Schulen seien nicht der richtige Platz für die Religionsausübung. Der gesamte soziale Raum der Schule müsse ein «Ort neutraler Wissensvermittlung» bleiben. Schon heute scheitere gemeinsamer Sport- oder Sexualkundeunterricht teilweise an «fundamentalistisch 'religiösen' Auffassungen» einzelner Schüler.
Philologenverband gegen Gebetsräume
Kritik am Urteil kam auch vom DPhV-Vorsitzenden Heinz-Peter Meidinger. «Ich hätte mir zwar auch ein anderes Urteil gewünscht», sagte er. Wenn man aber das berechtigte Anliegen in den Vordergrund stelle, Religionsfreiheit, Neutralitätsgebot des Staates und Bildungsauftrag der Schule bestmöglich zu vereinbaren, dann müsse man auf intelligente Lösungen vor Ort setzen. Er halte nichts davon, Gebetsräume an Schulen auszuweisen.
Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung sagte der AP, man warte die schriftliche Urteilsbegründung ab und werde dann prüfen, ob man Berufung einlege. Er betonte, dies sei eine Einzelfallentscheidung, die nur auf diesen Schüler an diesem Gymnasium bezogen sei. Das Gericht hatte bereits im März 2008 vorläufig entschieden, der Schüler müsse an der Schule beten können. Seitdem seien jedoch keine ähnlichen Fälle gemeldet worden, sagte der Sprecher.
Anders als ihr Berliner Landesverband reagierte die Bundes-CDU positiv auf das Urteil. Der bildungspolitische Fraktionssprecher Stefan Müller und die Beauftragte der Fraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Ingrid Fischbach, erklärten: «Muslime sollen an Schulen beten dürfen, soweit der Schulbetrieb dadurch nicht gestört wird.» Was für Muslime gelte, sollte aber auch für andere Gläubige gelten. Sinnvoll seien Räume, in die sich alle Schüler zur Besinnung und zum Gebet in unterrichtsfreien Momenten zurückziehen könnten. (ap/afp)