Berlin. Es war das vierte religiöse Gipfeltreffen seiner Art: Doch auch nach drei Jahren an Gesprächen lautet das wichtigste Ergebnis der neuerlichen Runde: Es soll weitergehen. Und weiterhin sind die Gräben zwischen Moslem-Verbänden und nicht-organisierten Gläubigen in Deutschland tief.
Die Islamkonferenz, vor drei Jahren von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen, um die Integration der Muslime in Deutschland zu verbessern, wird fortgesetzt und künftig stärker mit der Länderebene und den Städten und Gemeinden vernetzt. "In den vergangenen drei Jahren haben wir das Verhältnis von Staat und Muslimen in Deutschland grundlegend verändert und einen Prozess der Integration auf den Weg gebracht", sagte der CDU-Politiker gestern zum Abschluss der letzten Sitzung des Gremiums vor der Bundestagswahl. Es bestehe große Einigkeit darüber, so Schäuble, von diesem Kurs nicht abzuweichen. Während Kritiker wie der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU), selbst Konferenzteilnehmer, "greifbare Ergebnisse" vermissen, glaubt die Bundesregierung mit dem Instrument in vielen praktischen Fragen dem Ziel der "Akzeptanz von Vielfalt" deutlich nähergekommen zu sein.
Muslime aus 49 Staaten
Im Mittelpunkt der vierten Sitzung seit Start der Konferenz im Herbst 2006 standen die Ergebnisse einer Studie, bei der Muslime in Deutschland zum ersten Mal repräsentativ zu Herkunftsländern und Lebensgewohnheiten befragt wurden. Danach leben rund vier Millionen Muslime aus 49 verschiedenen Staaten in Deutschland - mehr, als bisher vermutetet wurde. Die allermeisten (über 60 %) haben türkische Wurzeln. Fast alle Muslime leben in den alten Bundesländern, jeder dritte in NRW. Knapp die Hälfte der Muslime besitzt einen deutschen Pass. Die Studie gibt auch Aufschluss über Details, die immer wieder den Integrationsalltag beschäftigen. Danach bleiben wohl aus religiösen Gründen sieben Prozent der muslimischen Schülerinnen dem gemeinsamen Schwimmunterricht in der Schule fern, zehn Prozent fahren nie bei einer Klassenfahrt mit. Hierzu wurden Handreichungen für Schulen beschlossen, mit denen Konflikte durch intensive Gespräche beigelegt werden sollen. Tenor: besser nach Geschlechtern getrennter Unterricht als gar kein Unterricht.
Massives Kräftemessen
Absehbar war auch gestern die Fortsetzung eines massiven inner-muslimischen Kräftemessens. Während sich die großen Verbände am Verhandlungstisch (Ditib, Zentralrat, Islamrat) als Garanten einer gelingenden Integration sehen, werfen ihnen die nicht-organisierten, meist liberalen und säkular orientierten Muslime (die Rechtsanwältin Seyran Ates oder die Soziologin Necla Kelek) in der Konferenz genau das Gegenteil vor. Konsequenz: Der Islamrat, dominiert von der unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehenden Organisation Milli Görüs, verweigerte die Unterschrift unter einen Teil der Schlusserklärung. Hintergrund: Etliche Teilnehmer der Konferenz riefen die Verbände vehement dazu auf, ihre Einnahmen öffentlich zu machen; auch die aus dem Ausland stammenden. Gegen Funktionäre von Milli Görüs wird derzeit in diesem Zusammenhang wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt.
Innenpolitiker von FDP und Grünen, die das Ergebnis der Konferenz als "unterm Strich zu dürftig" bezeichneten, sagten, dass eine Fortsetzung der Arbeit in den kommenden vier Jahren gleichwohl nötig sei. In dieser Zeit müsse man sich aber auf "konkrete Reformprojekte" verständigen. Von zentraler Bedeutung sei hier die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts mit staatlichen Lehrkräften, die an deutschen Universitäten ausgebildet werden müssten.