Berlin. Die millionenschwere Abfindung für den früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat die Debatte über Managergehälter neu entfacht. Der Münchener Wirtschaftsethiker Karl Homann spricht sich gegen eine Obergrenze der Bezüge von Unternehmenslenkern aus.
Dem liberalen Philosophen und Ökonomen Adam Smith zufolge wird das Allgemeinwohl erreicht, indem alle ihrem Egoismus frönen. Die Finanzkrise und ihre geschätzten Schäden in Höhe von vier Billionen Euro widerlegen diese optimistische Annahme.
Homann: Das ist eine verkürzte Interpretation dessen, was Adam Smith schrieb. Er sagte, dass der Markt eine Rahmenordnung braucht, damit er funktioniert. Was ein Wettbewerb ohne Regeln bedeutet, hat im 17. Jahrhundert Thomas Hobbes erklärt: Kampf aller gegen alle. Und heute sehen wir dies an den Auswirkungen der Finanzkrise. Die vermeintliche Gier der Manager ist nicht das eigentliche Problem, sondern die Tatsache, dass Regelsysteme nicht funktionieren.
Warum ist der Vorwurf der Gier unangemessen?
Homann: Weil sich in ihm das alte Paradigma spiegelt. Wer die Manager kollektiv als gierig denunziert, begibt sich auf das Argumentationsniveau der Vormoderne. Mit dieser Zuschreibung wird versucht, einzelne Personen verantwortlich zu machen. Das sind sie aber nicht. Denn sie arbeiten in gesellschaftlichen Funktionssystemen mit starker Eigenlogik. Gegen die Gesetze des Rechts, der Politik, der Ökonomie kann man als Einzelner mit dem Anspruch individueller Moral kaum etwas ausrichten.
Wie wollen Sie den Bruch zwischen moralischem Empfinden und marktwirtschaftlicher Realität heutzutage kitten?
Homann: Die Bundesregierung arbeitet beispielsweise an neuen Regeln für die Bezahlung von Managern. Das ist richtig. Wenn Bankvorstände Schäden anrichten, sollten sie für einen Teil mit ihrem persönlichen Vermögen haften. Es geht nicht um Schadensersatz, denn die Schäden sind oft so groß, dass sie kein Mensch bezahlen kann – nicht mal ein Vorstandsvorsitzender, schon gar kein Politiker. Aber es sollte künftig wenigstens einen Selbstbehalt geben – wie für die Bürger bei der Kasko-Versicherung ihrer Autos. Gegenwärtig ist das nicht der Fall. Die Unternehmen schließen Versicherungen für ihre Topleute ab.
Die mangelnde Haftung ist die eine Sache, eine andere die schiere Höhe. Wir reden über Gehälter von 15, 20 oder auch 100 Millionen Euro pro Jahr. Wäre es sinnvoll, eine Obergrenze zu bestimmen, um die Polarisierung in Arm und Reich zu dämpfen?
Homann: Das halte ich für falsch, das ist ökonomischer Unsinn.
Die US-Regierung und die Bundesregierung tun genau das. Die Gehälter von Bankvorständen, deren Institute mit öffentlichem Kapital gestützt werden, hat man gedeckelt. Warum soll das nicht auch für private Unternehmen gelten?
Homann: Ein wichtiger Punkt wird in der Debatte über Managergehälter gerne unterschlagen: Hohe, selbst überhöhte Preise besitzen eine marktwirtschaftliche Lenkungsfunktion. Sie zeigen an, dass die Qualifikationen, die es erlauben, einen Großkonzern zu leiten, knapp sind. Weil die Nachfrage nach Topmanagern höher ist als das Angebot, müssen die Unternehmen viel Geld ausgeben. Kommt aber der Markt in Gang und werden mehr Manager ausgebildet, sinken die Gehälter wieder.
Gegenthese: Die astronomischen Managergehälter sind nicht Ausdruck einer Knappheit, sondern mindestens teilweise eines Marktversagens. Weil die wirksame Kontrolle durch die Aufsichtsräte der Unternehmen fehlte, konnten sich die Vorstände auf Kosten der Aktionäre und letztlich auch der Allgemeinheit bereichern.
Homann: Wenn man eine Obergrenze einführte, würde man jedoch die Lenkungswirkung des Preises auf dem Markt für Manager völlig außer Kraft setzen. Die Höhe des Gehaltes ist ein Indiz dafür, wie viel jemand im Job wert ist.