Berlin. Union und SPD haben sich in den Koalitionsverhandlungen auf einen festen Frauenanteil in Aufsichtsräten geeinigt. Beim Betreuungsgeld und dem Adoptionsrecht für homosexuelle Paare liegen die Parteien immer noch meilenweit auseinander. Die Industrie kritisiert die “Einheitsquote“.
Union und SPD ziehen mit ihren Plänen für eine feste Frauenquote in Führungsetagen von Unternehmen heftigen Unmut der Wirtschaft auf sich. Arbeitgeber und Industrie sprachen am Montag von einem erheblichen Eingriff in die unternehmerischen Freiheiten, die Besonderheiten der Betriebe blieben dabei unberücksichtigt. Familienpolitiker von Union und SPD, die das Vorhaben bei den Koalitionsverhandlungen ausgearbeitet haben, werteten den Beschluss hingegen als Durchbruch bei der Förderung von Frauen.
Im Detail haben sich Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, dass Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen ab 2016 einen weiblichen Anteil von mindestens 30 Prozent aufweisen müssten, teilte die SPD-Unterhändlerin in der zuständigen Arbeitsgruppe, Manuela Schwesig, am frühen Montagmorgen in Berlin mit. Weiter heftig gestritten wird über das Betreuungsgeld sowie über die Finanzierung von Pflege und Krankenkassen.
Industrie-Vertreter kritisieren "Einheitsquote"
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ging mit dem Vorhaben hart ins Gericht. "Eine Einheitsquote ignoriert branchen- und unternehmensspezifische Besonderheiten", warnte das Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Holger Lösch. Auch gebe es erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Die Firmen würden einseitig zur Verwirklichung gesellschaftspolitischer Ziele in die Pflicht genommen.
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Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnte: "Neue gesetzliche Regelungen sind nicht erforderlich und belasten nur unnötig die Unternehmen." Zur Erhöhung der Zahl von Frauen in Führungspositionen müsse an den entscheidenden Hebeln angesetzt werden, etwa einer gezielten Berufsorientierung, dem bedarfsgerechten Ausbau von Kinderbetreuung und Ganztagsschulen und einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit.
Kritik an Frauenquote auch in der Union
Auch aus der Union kam Kritik. Der CDU-Wirtschaftsrat forderte die Verhandlungsführer auf, eine starre Quote zu verhindern und auf Selbstverpflichtungen zu setzen. "Eignung und Leistung müssen Maßstab für Stellenbesetzungen bleiben", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger zu "Handelsblatt Online". Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs hält nach eigenen Worten ebenfalls nichts von Quoten. "Es ist eine Kröte, die wir schlucken müssen", kommentierte er im Deutschlandfunk die geplante 30-Prozent-Vorgabe.
Nach dem Durchbruch bei der Frauenquote sprach Unions-Unterhändlerin Annette Widmann-Mauz (CDU) von einer "vernünftigen Regelung im Sinne der Frauen". Für Vorstände und obere Managementebenen ist eine sogenannte gesetzliche Flexi-Quote vorgesehen. Die börsennotierten Unternehmen müssten demnach selbst "verbindliche Zielgrößen" für einen höheren Frauenanteil festlegen, teilten beide Unterhändlerinnen mit. Schwesig sprach von einem "wichtigen Signal, um die Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern".
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"ElterngeldPlus" als Bonus für Eltern in Teilzeit
Weitere Einigungen der Arbeitsgruppe: Eltern sollen künftig bis zu 28 Monate ein "ElterngeldPlus" erhalten, wenn sie nach der Geburt ihrer Kinder in Teilzeit in den Beruf zurückkehren. Wenn sich beide Elternteile um die Betreuung kümmern und dafür in Teilzeit arbeiten, soll es einen Bonus von zehn Prozent geben.
Auch für einen Rechtsanspruch auf eine bezahlte Familienpflegezeit wollen CDU, CSU und SPD in einer großen Koalition sorgen. Zur Pflege eines Angehörigen soll es zehn Tage lang eine Lohnersatzleistung geben. Dies sei ein "Meilenstein", der mit der FDP nicht möglich gewesen sei, sagte Widmann-Mauz.
SPD blitzt in Sachen Betreuungsgeld bei Union ab
Mit ihrem Anliegen, das umstrittene Betreuungsgeld zu ändern, blitzte die SPD bei den Unions-Unterhändlern ab. Für ihre Forderung, das Geld besser in die Qualitätsverbesserung von Kitas zu stecken, habe es "keine Zustimmung bei der Union gegeben", sagte Schwesig. Ebenso strittig bleibe das Adoptionsrecht für Homosexuelle.
Auch im Ringen um die künftige Finanzierung von Kranken- und Pflegeversicherung ist kein Durchbruch abzusehen: Sie seien "in der Sache nicht weitergekommen", sagte SPD-Verhandlungsführer Karl Lauterbach nach einem Treffen der zuständigen Koalitionsarbeitsgruppe. Ohne Annäherungen beim nächsten Treffen am Montag müssten sich die Parteivorsitzenden der Sache annehmen. Bei Pflege und Krankenkassen lägen beide Seiten noch "weit auseinander", sagte Unions-Unterhändler Jens Spahn.
Zusatzbeiträge für Krankenkassen als Hauptstreitpunkt
Ein Hauptstreitpunkt sind die Zusatzbeiträge, die die Krankenkassen von ihren Mitgliedern zum Stopfen von Finanzierungslücken erheben können. Es sei eine "ganz harte Forderung" der SPD, dass der Zusatzbeitrag am Schluss abgeschafft werden müsse, sagte Lauterbach. Ansonsten drohten in drei bis vier Jahren Zusatzbeiträge für jeden Versicherten von monatlich 30 Euro. "Das ist für Rentner überhaupt nicht bezahlbar."
Spahn verteidigte die Zusatzbeiträge dagegen als "starkes Wettbewerbselement", das den Kassen eine Finanzautonomie gebe. Er bekräftigte, dass die Union jeden Einstieg in eine einheitliche Bürgerversicherung, wie sie die SPD anstrebt, "entschieden" ablehne. "Wir wollen auch keinen Einstieg, welcher Art auch immer." (dpa/afp/rtr)