Leipzig. . Der SPD-Parteitag bringt Ernüchterung und zeigt, das die Basis von der Opposition träumt und nichts davon hält, dass sich ihre Parteispitze auf ein Bündnis mit der CDU eingeschworen hat. Und die bislang gefeierte SPD-Vize Hannelore Kraft erhielt die Quittung für ihren Zick-Zack-Kurs in der Koalitionsfrage.

Schlechte Stimmung in der SPD: Mitten in den Koalitionsverhandlungen straft der SPD-Parteitag die gesamte engere Parteiführung ab. Nach dem Dämpfer für Parteichef Sigmar Gabriel am Vortrag erwischt es vor allem die SPD-Vize Hannelore Kraft und Olaf Scholz sowie SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Ein Teil der Delegierten ist unzufrieden mit der Parteiführung – wegen des Kurses Richtung Große Koalition, auch wegen des schlechten Wahlergebnisses. Allgemeiner Unmut breche sich Bahn, analysieren ratlose Genossen auch bei den weiteren Vorstandswahlen, als zunächst eine Reihe von Landesvorsitzenden durchfällt. Wer wird in der engsten Parteiführung warum abgestraft – und wer steht jetzt gut da? Eine Analyse.

Andrea Nahles, Hannelore Kraft, Olaf Scholz

Andrea Nahles: Die SPD-Generalsekretärin fährt mit 67,2 Prozent das schlechteste Ergebnis der engeren Führung ein. Eine Quittung für Pannen beim Wahlkampf, für den sie verantwortlich ist. Aber beliebt war Nahles noch nie: Die 73,2 Prozent vor zwei Jahren waren ihr bislang bestes Ergebnis gewesen. Trost für die 43-Jährige: Den Job macht sie nicht mehr lange. Wenn alles gut geht, wird Nahles bald Bundesministerin oder Fraktionschefin.

Hannelore Kraft: Vor zwei Jahren wählte sie der Parteitag mit dem Traumergebnis von 97,2 Prozent zur Parteivize und zur „Vorsitzenden der Herzen“ – jetzt lassen die Delegierten die mächtige NRW-Landeschefin (52) auf das Normalmaß von 85,6 Prozent abstürzen. Offenbar ist das auch die Reaktion auf ihren Zick-Zack-Kurs in der Koalitionsfrage.

Auch interessant

Anfangs hatte Kraft ein Regierungsbündnis mit der Union abgelehnt und war so auf Gegenkurs zu Gabriel gegangen. Drei Wochen später änderte Kraft überraschend ihre Position unter dem Eindruck der Sondierungsgespräche. Seitdem wirbt sie für eine Große Koalition, ist auf den Kurs Gabriels eingeschwenkt. Kritiker werfen ihr vor, sie habe sich strategisch unklug verhalten, geradezu „verrannt“ und an der Basis falsche Erwartungen geweckt. Sie versichert, sie sei mit sich „im Reinen“. Die Union habe beigedreht, deshalb könne sie Ja zur Koalition sagen. Die Kanzlerkandidatur 2017 bleibt möglich, aber ihre Favoritenrolle hat gelitten.

Olaf Scholz: Der Hamburger Regierungschef erhält als Vize-Vorsitzender nur noch 67,3 Prozent der Stimmen, 2011 waren es 84,9 Prozent – der größte Absturz bei diesen Wahlen. Auch eine Warnung: Scholz wurden Ambitionen nachgesagt, bei einem Sturz von Parteichef Gabriel selbst Vorsitzender werden zu wollen. Zum Putsch gleich nach der Wahl kam es nicht. Für den Vorsitz fehlt der Rückhalt.

Schäfer-Gümbel, Manuela Schwesig, Aydan Özoguz, Sigmar Gabriel 

Thorsten Schäfer-Gümbel: Der hessische SPD-Chef (44) kandidiert zum ersten Mal, bekommt gute 88,9 Prozent – was die Delegierten quält, hat Schäfer-Gümbel nicht zu verantworten.

SPD.png

Manuela Schwesig: Als „Gesicht der ostdeutschen SPD“ bekommt die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern mit 80,1 Prozent ein ordentliches Ergebnis – aber doch fast drei Prozent weniger als beim letzten Mal. Die 39-Jährige hatte zuletzt geschickt einen Krach in den Koalitionsverhandlungen provoziert. Die Rückendeckung stärkt ihren Anspruch auf einen Ministerposten im Kabinett.

Aydan Özoguz: Die erste SPD-Vize mit türkischen Wurzeln stürzt um fast sieben Prozentpunkte auf 79,9 Prozent ab. Auch eine Quittung dafür, dass sie in dem Amt wenig öffentlich in Erscheinung trat.

Und was bedeutet das für Sigmar Gabriel? Die Abstrafaktion relativiert die Schlappe, die der Parteichef am Vortag mit seinem 84-Prozent-Ergebnis erlitt. Er ist unterm Strich sogar gestärkt. Sein Rivale Scholz ist geschwächt. Die Bäume von Parteivize Kraft wachsen nicht in den Himmel. Geht für Gabriel alles gut, ist er in vier Wochen Vizekanzler. Er hat dann mit beiden Ämtern so viel Macht wie nie.