Leipzig. . Die Koalitionsverhandlungen mit der Union sorgen für gedämpfte Stimmung auf dem SPD-Parteitag. Nach SPD-Chef Gabriel stellte sich am Freitag die restliche SPD-Führung zur Wahl: Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz bekam das schlechteste Ergebnis.

Auf dem SPD-Bundesparteitag in Leipzig sind vier Stellvertreter von Parteichef Sigmar Gabriel im Amt bestätigt worden, der hessische Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel rückte neu in die Stellvertreterriege auf. Schäfer-Gümbel erzielte am Freitag mit 88,9 Prozent zudem das beste Wahlergebnis. Die bisherigen SPD-Vizevorsitzenden Hannelore Kraft, Aydan Özoguz, Manuela Schwesig und Olaf Scholz mussten zum Teil deutliche Einbußen im Vergleich zu der Wahl 2011 hinnehmen.

Die fünf Stellvertreter wurden für zwei Jahre gewählt. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Kraft erhielt diesmal nur 85,6 Prozent, im Vergleich zu 97,2 Prozent vor zwei Jahren. Özoguz, die 2011 als erste Politikerin mit Migrationshintergrund in die Stellvertreterriege gewählt wurde, bekam 79,9 Prozent. Die türkischstämmige Hamburgerin hatte vor zwei Jahren 86,8 Prozent erzielt.

Stegner könnte auf Nahles als SPD-Generalsekretär folgen

Hamburgs Erster Bürgermeister Scholz, der 2011 bei 84,9 Prozent gelandet war, erzielte diesmal nur 67,6 Prozent und damit das schlechteste Ergebnis der Stellvertreter. Die Sozialministerin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig, bekam 80,1 Prozent. Sie hatte vor zwei Jahren 82,9 Prozent erzielt. Der hessische Landeschef Schäfer-Gümbel wurde erstmals zum stellvertretenden SPD-Vorsitzenden gewählt. Er rückte für Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit in die Stellvertreterriege auf.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist mit deutlichen Einbußen im Amt bestätigt worden. Nahles erhielt am Freitag 67,2 Prozent der Delegiertenstimmen. Das war ihr schlechtestes Ergebnis bislang: bei ihrer erstmaligen Wahl 2009 hatte sie 69,6 Prozent erreicht, bei der Wiederwahl 2011 waren es 73,2 Prozent.

Wie lange Nahles ihr Amt ausübt, hängt vom Ausgang der Koalitionsverhandlungen ab. Wenn die 43-Jährige wie erwartet ins Bundeskabinett einer großen Koalition wechselt, müsste der Posten des Generalsekretärs rasch neu besetzt werden. Im Gespräch als Nachfolger ist der schleswig-holsteinische Landeschef Ralf Stegner.

SPD ist "vielleicht doch noch nicht so gut, wie wir selber dachten"

Parteichef Sigmar Gabriel hatte am Vortag mit einer nachdenklichen Rede das enttäuschende Wahlergebnis von 25,7 Prozent bei der Bundestagswahl analysiert und für den Eintritt in die große Koalition mit der Union geworben - wenn die SPD in den Verhandlungen die Aussicht auf Verbesserungen für die Menschen im Land erreichen kann. Der SPD-Chef bekam mit 83,6 Prozent sein bisher schlechtestes Ergebnis in seiner vierjährigen Amtszeit.

Hauptgrund sei die "Skepsis gegenüber der großen Koalition", sagte Gabriel am Donnerstagabend im ZDF-"heute journal". "Sie wissen, dass in der SPD viele damit hadern - und daran gemessen, finde ich, ist das ein ausgesprochen gutes Ergebnis." Ihn habe es sehr erleichtert. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, sie denke, "das Ergebnis hat Sigmar Gabriel nicht wahnsinnig überrascht". "Es herrscht eben eine gedämpfte Stimmung." Hinzu komme, "dass wir vielleicht einfach doch noch nicht so gut sind, wie wir selber dachten", ergänzte sie in der "Leipziger Volkszeitung" (Freitag).

Bei nur einer Gegenstimme und wenigen Enthaltungen hatten die Delegierten am Donnerstag auch einen Leitantrag beschlossen, der ab 2017 erstmals ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene als Option vorsieht - mitten in den Koalitionsverhandlungen mit der Union.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner nannte den Schritt "irritierend". "Das ist so, als ob ein Partner kurz vor der Hochzeit noch rasch eine Kontaktanzeige aufgibt", sagte sie der Mainzer "Allgemeinen Zeitung". Die SPD solle lieber gleich sagen, "ob sie die Große Koalition aus taktischen Gründen gar nicht will".

Linken-Politiker fordert von SPD "Chance" für rot-rote Bündnisse in Ostdeutschland

SPD-Vize Manuela Schwesig versicherte in der "Passauer Neuen Presse" (Freitag): "Sollten wir die große Koalition eingehen, dann stehen wir zu unserem Wort und zwar für vier Jahre." Dennoch sei es wichtig, auch darüber hinaus zu denken. Auch Gabriel sagte im "heute journal": "Wir werden mit der Linkspartei in ihrem jetzigen Zustand garantiert in den nächsten vier Jahren nicht zusammenkommen."

Die Linke-Politiker Bodo Ramelow, der Fraktionschef im Thüringer Landtag ist, forderte die SPD auf, rot-roten Bündnissen vor allem in Ostdeutschland eine echte Chance zu geben. "Die Lockerungsübungen sind ganz nett", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Online-Ausgabe). "Aber sie sind derzeit irgendwie Papiertiger."

Bis Ende November sollen die Verhandlungen mit der Union abgeschlossen sein. Dann sollen die rund 473 000 SPD-Mitglieder verbindlich über den Koalitionseintritt abstimmen. Er habe davor keine Angst, sagte Gabriel den ARD-"Tagesthemen". Aber: "Wenn wir am Ende beim Mitgliedervotum nur so viele Gegenstimmen haben wie heute auf dem Parteitag bei meiner Wahl - dann gebe ich abends einen aus." (dpa)