Berlin. Knapp eine Woche nach der Bundestagswahl geht der Koalitionspoker weiter. Während die SPD sich vor den Sondierungsgesprächen mit der Union selbstbewusst gibt, gibt es Kritik an den Plänen, die Parteibasis abstimmen zu lassen. CDU-Vize Klöckner wittert in dem Vorgehen “Trickserei“.

Trotz des großen Stimmenabstandes zur Union bei der Bundestagswahl will die SPD mit Selbstvertrauen in Sondierungsgespräche über eine Koalition gehen. Nachdem ein Parteikonvent den Weg für die Gespräche freigemacht hatte, forderten führende Sozialdemokraten am Samstag ein Entgegenkommen von CDU und CSU. Unionspolitiker wiederum kritisierten den Plan der SPD, ihre Mitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen.

Der Parteikonvent, das höchste beschlussfassende Gremium zwischen den Parteitagen, hatte am Freitagabend mit großer Mehrheit den Weg für Sondierungsgespräche freigemacht. Nach diesen Vorverhandlungen und vor Aufnahme konkreter Verhandlungen über eine Koalition will das Gremium erneut zusammenkommen. Über einen möglichen Koalitionsvertrag sollen die 470.000 Mitglieder der SPD in einer Urabstimmung entscheiden, deren Ergebnis bindend ist.

Kraft will "Inhalte nicht auf dem Ramschtisch verhökern"

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte nach den vierstündigen Beratungen am Freitag: "Die SPD ist zu Gesprächen bereit." Geführt werden sollen diese laut Gabriel von einem Team, dem neben ihm die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der gescheiterte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sowie die Länderchefs Hannelore Kraft und Olaf Scholz angehören sollen.

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Der schleswig-holsteinische SPD-Landeschef Ralf Stegner sagte dem Sender NDR Info zu den Sondierungsgesprächen: "Wer mit der SPD verhandelt, muss wissen, dass eine andere Politik notwendig ist, als sie von Schwarz-Gelb gemacht wurde." NRW-Landeschefin Kraft sagte dem WDR: "Wir sind noch nicht so weit, dass wir auf der schnellen Straße in Richtung Große Koalition sind." Es müsse "klar sein", dass die SPD ihre "Inhalte nicht auf dem Ramschtisch verhökern" werde.

Gabriel: SPD schreckt auch nicht vor Neuwahlen zurück

Gabriel sagte, die Sozialdemokraten schreckten im Notfall auch vor Neuwahlen nicht zurück. Die SPD habe weder Angst vor dem Gang in die Opposition oder in eine Regierung, noch vor Schwarz-Grün. "Und wir haben auch keine Angst vor Neuwahlen, wenn solche Verhandlungen scheitern, weil die Inhalte nicht ausreichend sind, um Zustimmung von Sozialdemokraten zu bekommen."

CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte den Beschluss zu einer Urabstimmung der SPD. "Die Vorsitzenden der beteiligten Parteien haben alle ein Mandat und die Verantwortung, für stabile Verhältnisse zu sorgen", sagte er der "Bild am Sonntag". "Wir sind doch keine Hasen, die aus Schreck vor einer Regierungsbildung kreuz und quer durchs Feld laufen."

Steinbrück zieht sich zurück

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner sagte der "Welt am Sonntag", das beschlossene Verfahren sehe "nach Trickserei" aus. Sie warnte die Union in der Zeitung, den Sozialdemokraten zu weit entgegenzukommen und sich etwa auf Steuererhöhungen einzulassen.

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Steinbrück verkündete nach Teilnehmerangaben auf dem Parteikonvent am Freitag, er strebe keine Spitzenämter mehr in Partei oder Fraktion an. Die Übernahme eines Regierungsamts in einem Kabinett unter Leitung Merkels hatte er bereits zuvor ausgeschlossen. "Ich werde dieser Partei mein ganzes Leben lang treu bleiben", sagte Steinbrück demnach unter dem Beifall der Delegierten. Der 66-Jährige ist Abgeordneter im Bundestag, hat darüber hinaus aber keine Partei- oder Fraktionsämter inne. (afp)