Das Karussell der möglichen Koalitionen dreht sich immer schneller. Die Grünen haben nun angekündigt, dass sie ernsthaft mit der CDU über eine Regierungsbildung verhandeln wollen - allerdings mit wenig Aussicht auf Erfolg. Stattdessen kommt wieder die linke Option ins Spiel. SPD und Union bewegen sich aufeinander zu.
Die Grünen drücken bei ihrer Neuaufstellung aufs Tempo und legen zugleich einen Fahrplan für schwarz-grüne Gespräche fest. Sympathien für diese Konstellation habe aber bei einem Treffen der Landes- und Bundesspitzen sowie des Parteirats der Grünen niemand erkennen lassen, berichteten Teilnehmer am Freitag in Berlin. Parteichef Cem Özdemir kündigte für den Fall einer Einladung der Union dennoch an: "Die Gespräche werden ernsthaft geführt." Der scheidende Fraktionschef Jürgen Trittin sagte: "Selbstverständlich sind wir bereit, mit allen demokratischen Parteien, mit der SPD, mit der Linkspartei, mit der CDU, zu reden."
Für Rot-Rot-Grün müsste die SPD einladen
Angesichts der Skepsis gegenüber einer möglichen schwarz-grünen Koalition mehren sich bei den Grünen die Stimmen, mit SPD und Linkspartei ins Spiel gebracht. Sie halten so ein Bündnis aber für ebenso unwahrscheinlich wie Schwarz-Grün. Grünen-Chef Cem Özdemir, auf die Möglichkeit einer Rot-Rot-Grün-Sondierung angesprochen: "Dazu müsste uns die SPD einladen."
Für den Fall förmlicher Koalitionsverhandlungen soll die Verhandlungsgruppe der Grünen neu besetzt werden, wie die scheidende Parteichefin Claudia Roth sagte. Diese soll dann aus den neuen Fraktionschefs, den Parteivorsitzenden, aus Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und NRW-Vizeregierungschefin Sylvia Löhrmann bestehen. Die vorausgehenden Sondierungen hingegen sollen in dem Fall neben Özdemir und Roth auch Jürgen Trittin und Göring-Eckardt führen.
Personalgerangel vor dem Neustart
Die neue Parteiführung soll bereits bei einem Parteitag vom 18. bis 20. Oktober in Berlin bestimmt werden, teilte Roth mit. Auch der Parteirat soll aufgefordert werden, sich dort neu zur Wahl zu stellen. Entsprechende Beschlüsse streben die Grünen auf einem kleinen Parteitag an diesem Samstag in Berlin an. Zunächst war ein Konvent im November für die personelle Neuaufstellung im Gespräch.
Auf Roth will die ehemalige Saar-Umweltministerin Simone Peter folgen. Aber auch Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke hält sich eine Kandidatur offen. Sie wird ebenfalls den Parteilinken zugerechnet. Özdemir will im Amt bestätigt werden.
Realos machen Druck auf Göring-Eckhard
Spannend wird es aber auch bei den Realos. Denn Teile des Flügels versuchten dem Vernehmen nach intern Druck auf Göring-Eckardt auszuüben, die Fraktionschefin werden will. Ihr werden Fehler als Spitzenkandidatin im Wahlkampf angekreidet. Herausfordererin Andreae gilt dagegen als neues Gesicht, vielen Parteilinken aber als zu wirtschaftsfreundlich.
Göring-Eckardt zeigte sich kampfeswillig. Auf die Frage, ob es bereits vor der Abstimmung in der Fraktion am 8. Oktober eine Vorentscheidung gebe, sagte sie: "Gewählt wird in der Fraktion."
Özdemir nannte am Rande des Treffens eine Orientierung der Politik am Prinzip der Nachhaltigkeit als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung. "Wir können nicht eine Politik machen, die die CO2-Emissionen hochtreibt." Özdemir sprach von einem hohen Maß an Skepsis über Schwarz-Grün. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn sagte der hingegen, viele Bürger wollten Ökologie und Wirtschaft zusammenführen. "Es ist unsere Pflicht zu schauen, ob ein schwarz-grünes Bündnis das könnte."
Große Mehrheit wünscht sich Schwarz-Rot
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Umfragen zufolge wünscht sich die Mehrheit der Deutschen eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD. 58 Prozent befürworteten in einer Umfrage für das ZDF-"Politbarometer" eine schwarz-rote Regierung, jeder Vierte fände das schlecht. Für eine schwarz-grüne Koalition war knapp ein Drittel der Befragten (32 Prozent). Im ARD-"Deutschlandtrend" bekam eine große Koalition 48 Prozent Zustimmung; nur 18 Prozent plädierten für Schwarz-Grün.
Die Sondierungsgespräche von Union und SPD könnten nächste Woche beginnen - wenn die rund 200 Delegierten des SPD-Parteikonvents am Freitagabend Gabriels Vorschlag zur Fühlungnahme mit der Union akzeptieren. Bevor beide Seiten dann in konkrete Verhandlungen über eine große Koalition eintreten, müsste dies zunächst erneut der Konvent als höchstes Beschlussgremium zwischen Bundesparteitagen billigen.
Über das Ergebnis dieser förmlichen Verhandlungen - also den Koalitionsvertrag - und einen Eintritt in eine erneute Regierung mit der Union sollen dann die Mitglieder abschließend entscheiden. Dieses Procedere soll möglichst vor dem SPD-Bundesparteitag am 14. November in Leipzig abgeschlossen sein. Lehnt die Basis am Ende den möglichen Koalitionsvertrag ab, dürfte die SPD-Spitze um Gabriel und die anderen Verhandler kaum zu halten sein - und die Partei müsste sich auf dem Parteitag womöglich neu aufstellen. Die Union hofft auf erste Sondierungsgespräche mit den Sozialdemokraten in der kommenden Woche. (dpa)