Vilnius. Für die europäischen Finanzminister ist die Sommerpause vorbei. Am Freitag kommen sie zu einem zweitägigen Treffen in der litauischen Hauptstadt Vilnius zusammen, um die vor ihnen liegende Arbeit zu planen. Es gibt eine Reihe von Staaten, die in den kommenden Monaten für Gesprächsstoff sorgen.

Wolfgang Schäuble kann sich auf einen angenehmen Aufenthalt in Vilnius freuen. Der Bundesfinanzminister (CDU) trifft sich ab Freitag zwei Tage lang mit seinen europäischen Kollegen in der Nationalen Kunstgalerie am Ufer der Neris mit Blick auf das alte Zentrum der litauischen Hauptstadt. Dann befassen sich die Finanzminister zwar mit Europas Problemen, Entscheidungen und die richtig unangenehmen Themen stehen allerdings erst nach der Bundestagswahl an.

Das erste Treffen der Finanzminister seit zwei Monaten dürfte somit dem ersten Schultag nach den Sommerferien ähneln: sich wiedersehen, Stundenplan der kommenden Monate besprechen, früh nach hause gehen. In einer regelrechten "Lähmung" sieht Fabian Zuleeg, Wirtschaftsexperte vom European Policy Centre, derzeit die Eurokrisen-Politik - wegen der Bundestagswahl: "Es gibt zwei, drei große Themen, die deswegen in den Oktober verschoben wurden", meint auch ein EU-Diplomat.

Viele europäische Länder stecken noch in der Krise

Dazu gehört die Frage, wie es mit Irland und Portugal weitergeht, deren Hilfsprogramme Ende des Jahres beziehungsweise Mitte 2014 auslaufen. Zudem wird es weiter Streit um den Aufbau der europäischen Bankenunion geben. Vor allem müssen sich die Finanzminister wieder einmal mit dem Problem beschäftigen, dass Griechenland noch mehr Geld und wohl ein drittes Programm benötigt.

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Schäuble tritt deswegen im Wahlkampf lieber die Flucht nach vorn an. "Was wir im laufenden Programm in den nächsten Monaten werden klären müssen, ist - wie in der Vergangenheit auch schon ein paar Mal - die Frage von auftretenden Finanzlücken", räumt er ein. "Über weitere mögliche Maßnahmen für die Zeit nach 2014 werden wir erst im nächsten Jahr entscheiden." Gleichzeitig macht Schäuble ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aber klar: "Einen zweiten Schuldenschnitt wird es nicht geben."

Die Anhänger eines solchen Schuldenerlasses können auch nicht darauf hoffen, dass Merkel nach der Wahl eine Große Koalition eingeht und von der SPD zum Umdenken gezwungen wird. Der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erteilte einem Schuldenschnitt ebenfalls eine Absage. "Es gibt eine Grundlinie in Deutschlands Eurozonen-Politik, die sich nach dem 22. September kaum ändern dürfte - unabhängig davon, wer an der Macht ist", erwartet Nina Schick vom Open Europe Institut. Das gelte auch für das deutsche Beharren auf Haushaltsdisziplin in Europa.

Bankenunion nur durch eine Änderung der EU-Verträge möglich

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Hitzige Diskussionen stehen, egal welcher Bundesregierung, auch über den Aufbau der europäischen Bankenunion bevor. Hier wehrte sich Deutschland immer wieder gegen Vorstöße in Richtung eines gemeinsamen Einlagensicherungsfonds, damit deutsche Sparer nicht für ausländische Krisenbanken einstehen müssen. Gerungen wird auch um komplizierte technische und politische Fragen, die für den Fortgang des Mammutprojekts geklärt werden müssen. Deutschland beharrt etwa darauf, dass die Bankenunion nur durch eine Änderung der EU-Verträge vollendet werden kann.

Auf die Forderungen Deutschlands blicken viele auch, wenn es um eine Erneuerung der EU geht. Hier gab Merkel, die Deutschland den Umfragen zufolge weiter auf den EU-Gipfeln als Kanzlerin vertreten dürfte, unterschiedliche Signale. Zur Freude der Brüsseler Institutionen forderte sie zwar immer wieder "mehr Europa". Dies heiße aber nicht, dass mehr Macht aus den Hauptstädten dorthin übertragen werden solle, sagte sie kürzlich. "Wir können auch überlegen: Geben wir mal wieder was zurück?"

Messen lassen wird sich Merkel nach einer weiteren Amtszeit aber besonders an blanken Zahlen. "Wir müssen Menschen in Arbeit bringen", sagte die Kanzlerin nach einem EU-Gipfel im Juni angesichts von mehr als 26 Millionen Arbeitslosen in der EU, davon rund 5,5 Millionen Jugendliche. Das werde zwar eine Zeit dauern. "Aber schön wäre, die Jugendlichen in Europa merken mal, dass wir was tun."

Viele ungelöste Probleme in europäischen Staaten

Es gibt eine Reihe von Staaten, die in den kommenden Monaten für Gesprächsstoff sorgen dürften:

Griechenland 

Griechenlands riesiger Schuldenberg und ein mögliches drittes Hilfsprogramm sind ein Dauerthema. In den kommenden Monaten müsse die "Frage von auftretenden Finanzlücken" geklärt werden, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Das Loch beläuft sich trotz bisheriger Hilfe in Höhe von rund 240 Milliarden Euro auf rund elf weitere Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren. Wie es gestopft werden soll, ist noch unklar. Das gilt auch für die Verringerung des Schuldenbergs von erwarteten 176 Prozent der Wirtschaftskraft am Jahresende. Während manche Experten einen Schuldenerlass für notwendig halten, sagt Schäuble: "Einen zweiten Schuldenschnitt wird es nicht geben".

Irland 

Das Hilfsprogramm mit Unterstützung in Höhe von 67,5 Milliarden Euro läuft am Jahresende aus. Dann soll Irland finanziell wieder auf eigenen Füßen stehen und sich sein Geld bei Privatinvestoren leihen. Fraglich ist jedoch, ob dies gelingt oder das Land weitere Hilfe braucht. Möglich ist etwa, dass der Euro-Rettungsfonds ESM einen Notfallkredit bereitstellt, falls die Investoren Irland noch misstrauen. Als Summe sind zehn Milliarden Euro im Gespräch.

Portugal 

Das Land erhielt Hilfszusagen über 78 Milliarden Euro bis Mitte 2014. Dann muss geklärt sein, ob die Regierung in Lissabon wieder Vertrauen bei den Investoren genießt und sich Geld leihen kann. Trotz positiver Anzeichen in der wirtschaftlichen Entwicklung gilt Portugal in diesem Punkt als Wackelkandidat und könnte ein zweites Hilfsprogramm benötigen. Die bisherigen Sparauflagen haben die Regierungskoalition allerdings bereits an den Rand des Zusammenbruchs getrieben. Teile der Maßnahmen wurden von Portugals Verfassungsrichtern kassiert.

Slowenien 

Das kleine Adrialand kämpft mit enormen Problemen im Bankensektor und gilt daher schon seit Monaten als heißer Kandidat für Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds. Die Geldhäuser des Landes ächzen unter einer Schuldenlast von rund sieben Milliarden Euro. Das entspricht einem Fünftel des Bruttoinlandsproduktes. Auch bemängelt die EU-Kommission schwere Ungleichgewichte in der slowenischen Wirtschaft und fordert energische Reformen. Ob die Mitte-Links-Regierung es schafft, einen Antrag auf Finanzhilfe zu vermeiden, dürfte sich in den kommenden Monaten entscheiden.

Zypern 

Nach dem Drama Ende März um das Hilfspaket für Zypern in Höhe von zehn Milliarden Euro, das eine Zwangsbeteiligung von Anlegern vorsieht, ist es ruhig geworden um das Mittelmeerland. Die Finanzminister dürften in Vilnius eine Auszahlung von 1,5 Milliarden Euro beschließen. Präsident Nikos Anastasiades zeigte sich kürzlich zuversichtlich, dass die Gefahr eines Staatsbankrotts gebannt sei und Zypern keine zusätzlichen Kredite brauche. Zyperns Wirtschaft bricht Prognosen zufolge jedoch allein in diesem Jahr um etwa neun Prozent ein - kommt es noch schlimmer, steigt der Finanzbedarf des Landes.

Frankreich, Italien, Spanien 

Die drei Südländer sind hinter Deutschland die drei größten Euro-Volkswirtschaften - und haben ernste Probleme: Frankreich sträubt sich gegen Reformforderungen aus Brüssel und musste erst in dieser Woche einräumen, dass sein Defizit 2013 mit 4,1 Prozent deutlich höher ausfällt als vorhergesagt. Spanien hat Hilfe aus dem Euro-Rettungsfonds für seine Banken erhalten und hofft, dass diese ausreicht. Das Land kämpft mit hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Schwäche. Italien gilt als politisch und wirtschaftlich instabil und könnte dafür von den Märkten mit steigenden Zinsen bestraft werden. (afp)