Essen. Beim Politischen Forum Ruhr hat Außenminister Guido Westerwelle davor gewarnt, sich in kleinteiligen Debatten zu verlieren. Westerwelle betonte, Deutschland müsse darum kämpfen, mit aufstrebenden Ländern mitzuhalten. Das gehe nicht, wenn nur die Abschaffung der Hausaufgaben diskutiert werde.

Uns geht es gut, doch wie lange noch? Diese Frage macht Guido Westerwelle in diesen Wahlkampftagen zu seinem Leitmotiv. Der Außenminister tourt durch Nordrhein-Westfalen, und dabei lässt er gern die innenpolitischen Themen beiseite. Westerwelle demonstriert stattdessen, wie gut er sich in die Rolle des Staatsmanns auf internationalem Parkett eingefunden hat. So auch gestern Abend beim 100. Politischen Forum Ruhr in der Essener Philharmonie.

Syrien brennt den Menschen auf den Nägeln, so steigt er nach der Begrüßung von Stephan Holthoff-Pförtner, Vorsitzender des Forums, und dem Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß mit ernsten Worten ein: „Das Schicksal der Menschen kann uns nicht gleichgültig sein.“ Deutschland wolle eine politische Lösung, doch dazu müsse Russland Syrien im Sicherheitsrat seine schützende Hand entziehen („wir brauchen ein Ende der Blockade“) und Syrien sofort das Chemiewaffenabkommen unterzeichnen, wonach längst diese schmutzigen Waffen vernichtet sein müssten.

Es geht um "Deutschland und Europa"

Schließlich aber geht es im Vortrag um „Deutschland und Europa“, um unsere Rolle in der Welt: Noch sei sie bedeutsam, doch sie werde immer kleiner, sagt der Außenminister und erzählt: vom weltweit größten Bauprojekt im kleinen Land Panama, von Projektentwicklungen in Singapur in Milliardenhöhe. „Denk ich an Bahnhöfe und Flughäfen hierzulande, dann wird mir ganz anders.“

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Der Aufstieg der Länder, von denen vor 20 Jahren in den Industrienationen kaum jemand Notiz genommen habe – das treibt den Außenminister um. Deutschland müsse darum kämpfen, mitzuhalten. Panama und Singapur zeigten: „Wir müssen als Gesellschaft bereit sein, nicht nur gegen etwas, sondern auch für etwas zu sein.“

„Bildung ist keine Körperverletzung"

Länder wie Brasilien, wie China demonstrierten ihren Aufstiegswillen, sagt Westerwelle und findet sogleich die passende Überleitung, um doch noch parteipolitische Ziele unterzubringen: „Wir diskutieren stattdessen über die Abschaffung der Hausaufgaben, der Noten, des Sitzenbleibens“, ruft er und erinnert daran, dass auch er als Schüler Misserfolge erlitt. „Bildung ist keine Körperverletzung.“

Schließlich hebt der Außenminister die großen Verdienste Europas hervor, allen voran Freiheit und Frieden. Nun, in Zeiten der Krise, stelle sich immer öfter die Frage, ob Europa und damit die wirtschaftliche und kulturelle Gemeinschaft, bestehen bleibe. „Mit dem Euro haben wir mehr zu verlieren als ein paar Scheine und Münzen“, sagt er. Europa sei eine Kulturgemeinschaft, und bei allen Unterschieden zwischen dem Norden und Süden: „Je weiter man sich von Europa entfernt, desto besser erkennt man, wie ähnlich sich Europäer sind.“

Westerwelle hat offenbar seine Rolle gefunden

Westerwelle hat offenbar seine Rolle gefunden. Unklar ist, ob er sie nach der Wahl behalten kann. Voraussetzung wäre, dass es die Liberalen erneut schaffen, als Juniorpartner der Union Teil der Regierung zu werden. Für den Fall, dass Schwarz-Gelb eine Mehrheit verfehlt, wird über eine Spitzenkandidatur Westerwelles für die Liberalen bei den Europawahlen im Frühjahr spekuliert. Das Publikum in der Philharmonie wird sich das vorstellen können. Westerwelle erntet jedenfalls eine Menge Applaus.