Berlin. . Nach dem TV-Duell vom Sonntagabend ist es Zeit für einen Faktencheck: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) stellten beim 90-minütigen Schlagabtausch eine Menge Behauptungen in den Raum. Nicht immer stimmen sie.
Auf viele wichtige Themen wurden die TV-Duellanten erst gar nicht angesprochen: Überalterung der Gesellschaft, Frauenquote, Kindergeld, Rechtsradikalismus. Doch was die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Peer Steinbrück zu anderen Themen erklärten, verdiente auch nicht immer das Prädikat „Klartext“. Das Duell im Faktencheck.
Steinbrück sorgt sich: Die Pensionen steigen stärker als die Renten. Er will die Systeme koppeln.
Wer das wolle, müsse das Grundgesetz ändern, gibt Beamtenbund-Chef Klaus Dauderstädt zu bedenken. Er bestreitet, dass es überhaupt eine gravierende Auseinanderentwicklung gebe – von 1993 bis 2012 seien die Beamtenpensionen um 28 Prozent gestiegen, die Renten um 25,5 Prozent.
Allerdings: Aktuell hat Steinbrück durchaus recht mit seiner Warnung, die Pensionen dürften nicht überproportional wachsen. Die Pensionen der Bundesbeamten etwa steigen dieses Jahr um 2,4 Prozent, die Renten in Westdeutschland um 0,25 Prozent. Auch im Vorjahr lag das Plus über dem Rentenanstieg. Dabei liege die Durchschnittspension eines Bundesbeamten mit künftig 2680 Euro ohnehin schon deutlich über der „Standardrente“ von 1266 Euro.
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Merkel sagt: Pensionen werden im Gegensatz zu Renten besteuert.
Da hat sie gepatzt. Prompt ruft Steinbrücks Parteifreund, NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans, ihr in Erinnerung, dass seit 2005 auch Renten besteuert werden. Das sollte sie wissen, denn „das ist von einer Kanzlerin wahrlich nicht zu viel verlangt“, sagt er.
Merkel wirft Steinbrück vor: Das SPD-Steuermodell belastet kleine Handwerker und Selbstständige.
Gewagte These. Da müsste der Handwerker schon über 100 000 Euro verdienen, um betroffen zu sein. Nur wer deutlich mehr verdient, wird es auch spüren. Die vier TV-Moderatoren gehören wohl zum Kreis der Topverdiener...
Steinbrück behauptet: Eine Pkw-Maut nur für Ausländer, wie die CSU sie fordert, ist mit europäischem Recht nicht vereinbar.
Stimmt. Brüssel würde sicher einschreiten. Man könnte aber eine Pkw-Maut einführen und einheimische Fahrer an anderer Stelle entlasten: bei der Kfz-Steuer. Allerdings hat sich die Forderung nach einer Maut erst mal erledigt, da Merkel sie kategorisch ausschließt.
Auf die Frage, ob er dem NSA-Enthüller Edward Snowden Asyl gewähren würde, sagt Steinbrück: Nein. Snowden hat hier kein Asyl beantragt.
Haarscharf daneben. Snowden ist zwar nicht nach Deutschland gereist. Er hat aber an der deutschen Botschaft in Moskau sehr wohl einen Asyl-Antrag gestellt.
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Steinbrück wirft Merkel vor: Sie hat die Pflegereform verschlafen.
Das stimmt nicht ganz. Zwar ist aus dem von Ex-Gesundheitsminister Philipp Rösler ausgerufenen „Jahr der Pflege“ 2011 nichts geworden. Erste Schritte kamen dafür 2012. Zum einen hat die Regierung die staatlich geförderte private Pflegezusatzversicherung, den Pflege-Bahr, eingeführt. Zum anderen erhalten Hunderttausende Demenzkranke seit diesem Jahr mehr Geld. Das reicht nach allgemeiner Einschätzung indes nicht aus. Eine umfassende Pflegereform steht noch aus.
Merkel behauptet: ihre Regierung hat 800.000 neue Kitaplätze für unter Dreijährige geschaffen.
Das ist tricky. Merkel rechnet alte und neue Plätze einfach zusammen. Schon vor Start des Krippenausbaus gab es rund 300 000 U3-Plätze. Als Schwarz-Gelb vor vier Jahren an die Macht kam, waren es bereits 400 000. Inzwischen melden die Länder rund 810 000 Plätze für das aktuelle Kita-Jahr – der Zuwachs an neuen Plätzen ist nur halb so groß, wie behauptet. Hinzu kommt: Der Krippenausbau ist gar nicht allein Sache des Bundes. Länder und Städte sind für Bau und Betrieb der Kitas zuständig.
Merkel gegen Steinbrück
O-Ton Merkel: „Wir können heute, anders als vor einigen Jahren, jedem jungen Menschen einen Ausbildungsplatz in Aussicht stellen.“
Das ist nicht falsch, aber zu pauschal. Denn: Laut Berufsbildungsbericht fanden letztes Jahr 15 600 Bewerber keinen Ausbildungsplatz. Richtig ist aber auch, dass gleichzeitig fast 33.000 Ausbildungsplätze unbesetzt blieben.