Essen. Peer Steinbrücks bisherige Zeit als Kanzlerkandidat ist eine Abfolge von Pannen und Patzern. Das ermuntert offenbar sonst eher handzahme TV-Talker zu pseudo-kritischer Befragung des glücklosen Kandidaten. Der ARD-Talk von Sandra Maischberger war solch ein Tiefpunkt des Fernseh-Journalismus.
Sandra Maischberger gilt als Lieblings-Interviewerin von Helmut Schmidt. Schon mehrfach hatte die ARD-Talkerin den Altkanzler bei sich im Studio, plauderte mit ihm über China, den Euro und das Leben an sich. Es gibt auch ein gemeinsames Gesprächs-Buch.
Da ist es nur konsequent, dass Maischberger nun auch Peer Steinbrück eine eigene Sendung widmet. Jenem Mann also, dem der greise Altkanzler Schmidt voriges Jahr in einer medialen Offensive gleichsam die höheren Polit-Weihen erteilte: „Er kann Kanzler.“
Steinbrück will "mit jedem Nerv, den ich habe", für den Sieg kämpfen
Seit Steinbrück in einer komplett misslungenen, weil völlig unkoordinierten Aktion der SPD-Spitze zum Herausforderer Angela Merkels bei der Bundestagswahl gekürt wurde, müht er sich nun weitgehend erfolglos den Beweis zu erbringen, dass er zumindest Kanzlerkandidat kann. Vom Moment der politischen Sturzgeburt zum Spitzenmann an, über die endlose Debatte um seine Rede-Honorare und eine fast unendliche Kette von Pleiten, Pech und Pannen bis zur völlig missglückten Merkel-Schelte wegen ihrer angeblich mangelnden Europa-Leidenschaft – Steinbrück kam nie wirklich in die Offensive, musste sich immer nur verteidigen.
Und nun sitzt er mit roter Krawatte zum dunklen Anzug bei Sandra Maischberger auf dem Sessel und gibt zu Protokoll, er wolle „mit jedem Nerv, den ich habe“, für den Sieg kämpfen. Doch Maischberger will davon nichts wissen und nervt den Kandidaten mit Fragen der hämischen Art: Ob er denn überhaupt noch an einen Wahlerfolg glaube; ob er nach dem Wahltag in Rente gehe. Solche Sachen.
Was soll Steinbrück schon auf Maischbergers hämische Fragen antworten?
Dann hält sie ihrem Gast ein Plakat mit den hinlänglich bekannten Beliebtheitswerten der Kontrahenten Merkel und Steinbrück vor die Nase. Dazu noch ein vor Häme triefendes Filmchen: „Ein Macker wie dieser...“ Das alles soll wohl frech, kritisch und unerschrocken rüberkommen. Tatsächlich vermittelt es eher den unguten Eindruck, dass hier jemand auf einen tritt, der schon am Boden liegt.
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Was soll der Mann schon darauf antworten? Dass er ganz auf sein Ziel fokussiert sei, auf „die dritte Hochrechnung am Wahlabend“; dass er alles gebe für den Erfolg; dass er an sich glaube. Steinbrück ist sichtlich angefressen und nach einer halben Stunde fordert er die Gastgeberin, die ihn immer wieder unterbricht, spitz auf, die ganze Sache könne doch „etwas dialogischer“ ablaufen.
Steinbrück wehrt sich: "Bin doch hier nicht auf der Psycho-Couch!"
Doch Maischberger hat sich an diesem Abend offenbar vorgenommen, möglichst viele Themen abzuhaken und dabei so wenig wie möglich in die Tiefe zu gehen. Immer wieder unterbrochen von insgesamt neun Einspielfilmchen, springt Maischberger von Steinbrücks aktuellem Europa-Merkel-Patzer zur Forderung des Kandidaten an SPD-Chef Gabriel, mehr politische Schützenhilfe zu leisten (Steinbrück: „Das war ein Weckruf!“), von Edward Snowden und dem NSA-Skandal zu Barack Obama.
Wahlkampf mit der SPD
Und natürlich bringt die Talkerin auch süffisant Steinbrücks suboptimales Standing bei Frauen aufs Tapet und will wissen, warum er es mit dem weiblichen Geschlecht nicht so könne. Da wird es dem Gast endlich zu bunt: „Ich bin hier doch nicht auf der Freud’schen Psycho-Couch!“
Gespräch zum Thema Steuern und Mindestlöhne gerät zur Fachsimpelei
Spannender verspricht es erst zu werden, als Thomas Stelter aus Dortmund zugeschaltet wird. Der Talkshow-erfahrene Unternehmer kann dem ausgewiesenen Finanzexperten Steinbrück in Sachen Steuern und Mindestlohn auf Augenhöhe begegnen. Doch leider gerät auch dieses Dreiergespräch schnell zur üblichen Fachsimpelei mit vielen Zahlen und Daten. Der Erkenntnisgewinn bleibt gering.
Steinbrück hat zu diesem Zeitpunkt ganz offenbar längst die Lust verloren. Er spult sein Standard-Programm ab: gesetzliche Mindestlöhne, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Auseinanderdriften der Gesellschaftsschichten verhindern.
Bei James Bond wäre Steinbrück gerne M.
Es folgt das in Talkshows anscheinend unvermeidliche Spielchen, bei dem der Gast vorgebene Halbsätze vervollständigen muss. Also dann: „In einem James-Bond-Film wäre ich gerne...“ Steinbrück überlegt kurz und sagt dann. „M.“. Bonds Geheimdienst-Chef also. Gut zu wissen.
Am Ende der 75 Minuten versucht Sandra Maischberger es dann noch einmal: „Herr Steinbrück, wenn's nun am Wahlabend nicht reicht...“ Da kann Peer Steinbrück sich kaum noch halten vor Lachen. Eines muss man dem Mann lassen: Humor hat er.