Köln. . ARD-Talkerin Sandra Maischberger feiert im Herbst das zehnjährige Jubiläum ihrer Gesprächsrunde im Ersten. Im Interview spricht sie über einen Betrugsversuch per E-Mail, Peer Steinbrück und dessen Frau, sowie nicht zuletzt über ihr vertrauensvolles Verhältnis zu Alt-Kanzler Helmut Schmidt.

Sandra Maischberger feiert im Herbst das zehnjährige Jubiläum ihrer Talkshow „Menschen bei Maischberger“ (ARD, 30.7., 22.45 Uhr). Bereits am Dienstag beginnt für die 46-jährige Moderatorin die neue TV-Saison. Jürgen Overkott sprach mit ihr.

Wir treffen uns im Hyatt Regency am Rhein, mit Blick auf die Hohenzollern-Brücke und, natürlich, den Dom. Fasziniert sieht sie einem Sommergewitter bei der Arbeit zu. Beim Hinflug aus Berlin hat sie die meteorologischen Turbulenzen weit weniger genossen. Sandra Maischberger macht einen entspannten, ja gut gelaunten Eindruck und beugt sich beim Gespräch weit nach vorn in Richtung ihres Gesprächspartners.

Nach Quote drängt, an der Quote hängt doch alles. Fühlen Sie sich manchmal wie Fausts Gretchen im TV-Zeitalter?

Sandra Maischberger: Der arme Goethe - das hat er nicht verdient. Ich bin davon überzeugt, dass wir im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zwei Dinge zugleich machen müssen: Wir müssen unsere Auftrag erfüllen, Aufklärung betreiben, Informationen geben, und wir müssen eine kritische Masse erreichen, die rechtfertigt, dass wir von allen Gebühren erheben. Meine Leitlinie ist: Wir müssen nicht der Spitzenreiter sein, aber wir dürfen auch kein Programm machen, das am Ende nur drei Leute interessiert.

Im Talkshow-Ranking liegen Sie auf Platz zwei, aber die Reichweite bröselt etwas. Gibt es zum Saisonstart etwas, dass Sie ändern?

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Sandra Maischberger: Interessant finde, dass ausgerechnet die Leute, die die Quoten-Fixiertheit des Fernsehens kritisieren, am liebsten über die Quote schreiben. Ja, es gibt ein Auf und Ab, aber ich achte auf die großen Linien. Einen großen Schwund habe ich nicht gesehen.

Setzen Sie irgendwo neue Akzente in der neuen Saison?

Sandra Maischberger: Es ist noch zu früh, diese Frage zu stellen. Aber wir denken schon drüber nach, die Backform ein wenig zu ändern. Wir gehen jetzt ins elfte Jahr, wir feiern unseres Zehnjähriges im Herbst, und eines ist sicher: Der Kern bleibt. Wir sind Journalisten, wir machen eine Gesprächssendung, wir betreiben Aufklärung und Information. Aber eines dürfen wir nicht vergessen: Es darf nicht langweilig werden.

Das ist das elfte Gebot: Du sollst nicht langweilen.

Sandra Maischberger: In dem Punkt sind die Angelsachsen übrigens wesentlich entspannter als wir. Für sie sind unterhaltende Momente selbstverständlich. Hier steht Unterhaltung immer unter einem Vorbehalt. Das ist schade. „Du sollst unterhalten“ ist übrigens nicht dasselbe wie „Du darfst nicht langweilen“. Das ist ein Unterschied, den viele nicht begreifen.

„Du musst unterhalten“ bedeutet Klassen-Clown, „Du darfst nicht langweilen“ ein interessantes Gespräch. Und Ihr Gespräch zum Saison-Auftakt verheißt einen Kessel Buntes.

Sandra Maischberger: Das stimmt nicht! Das ist klassisch, was wir machen: Das Gespräch dreht sich um den Begriff Betrug. Wir lassen uns interessante Betrüger-Biografien erzählen, darunter die von Gerd Postel, eine schillernde Figur, von der man nicht weiß, was sie eigentlich angetrieben hat. Und haben wir aber einen Experten wie Professor Kröber, die nicht irgendein Experte ist, sondern unter anderem Gutachter im Fall Gustl Mollath und im Fall Kachelmann.

Sind Sie selbst mal in die Betrugsfalle getappt?

Sandra Maischberger: Mir ist neulich passiert, dass mir eine Freundin aus den Philippinen geschrieben, sie säße dort im Gefängnis und bräuchte dringend Geld. Dann aber wurde schnell klar, dass jemand den E-Mail-Zugang von ihr und mir gehackt hat. Das ist eine neue Form von Kriminalität.

In der Woche drauf wirft der Bundestagswahlkampf seinen Schatten voraus. Steinbrück kommt. Wird er gegrillt oder geröstet?

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Sandra Maischberger: Weder noch. Ich bin ein großer Fan der Interviews, die Günter Gaus geführt hat. Da gab es immer zwei Ebenen: eine politische und persönliche. Ich möchte gerne begreifen, wer vor mir sitzt; das sind die persönlichen Fragen. Und ich möchte gern wissen, wofür steht er oder sie. Ich glaube nicht, dass man Steinbrück grillen kann. Er ist selbst ein erfahrener Grillmeister. Wir werden ihn aber nicht rauslassen, ohne die wichtigen politischen Fragen angesprochen zu haben.

Hat Frau Merkel auch schon ihren Finger gehoben und gesagt: Das will ich auch!?

Sandra Maischberger: Klar, sie hat mich angetwittert. Nein, im Ernst: Die Bundeskanzlerin ist in der Favoriten-Rolle, sie muss nicht alles machen und soll ja auch noch Zeit haben, zu regieren.

Beim SPD-Parteitag hat Steinbrücks Frau eine öffentliche Rolle gespielt. Kommt sie auch?

Sandra Maischberger: Wir haben darüber gesprochen. Wir haben uns aber entschieden, sie nicht nachzufragen, denn das wäre wirklich purer Wahlkampf gewesen. Wenn Steinbrück wirklich Kanzler würde, wäre die Situation anders.

Wenn ich Interviews von Rudolf Rohlinger sehe, dann haben sich seine Gesprächspartner im Nachhinein oft die Zunge abbeißen wollen.

Sandra Maischberger: Datieren Sie mal Rudolf Rohlinger.

60er-, 70er Jahre.

Sandra Maischberger: Eben. Seitdem sind die Zeiten anders geworden. Die politische Klasse hat gelernt. Unbedachte Äußerungen haben heute viel längerfristige Folgen als damals. Auch der Typ Politiker hat sich geändert. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand etwas Unbedachtes sagt, geringer geworden. (Kleine Pause) Aber es passiert immer wieder.

Wann haben Sie zuletzt gesagt: Ja! Klasse!?

Sandra Maischberger: Solche Triumphgesten liegen mir fern (lacht).

Was macht für Sie eine gute Sendung aus?

Sandra Maischberger: Eine, die wahrhaftig ist, eine, die nicht langweilt, eine, die neue Einblicke gibt, und eine, die Situationen zulässt, die so nicht geplant waren. Wenn es mir gelingt, Menschen miteinander in eine Gespräch zu bringen, dann ist es eine gelungene Sendung.

Manchmal passiert das exakte Gegenteil: Leute sind munter im Vorgespräch und vor der Kamera stumm wie Fische.

Sandra Maischberger: Gut, so lange wir für unsere Gäste keine Drehbücher schreiben, kann das mal so sein. Aber das Wesen einer Talkshow ist eben, dass sie nicht allzu berechenbar sein soll. Und dazu gehört eben, dass manches auch aus dem Ruder läuft. Und wenn genau das von manchen Journalisten kritisiert wird, dann haben sie das Wesen einer Talkshow nicht begriffen.

Ärgern Sie sich über schlechte Kritiken?

Sandra Maischberger: Wenn, dann nur kurz.

Wenn man auf „Menschen bei Maischberger“ zurückblickt, stechen die Gespräche mit Helmut Schmidt heraus. Wann hat er sich zum Gespräch mit Ihnen durchringen können?

Sandra Maischberger: Das war damals noch n-tv. Es war der 11. September, und zwei Tage danach hatte ich die Gelegenheit, mit Helmut Schmidt zu sprechen. Dann trat er an mich heran, mit der Idee für ein Gesprächsbuch. Ich habe daran die Bedingung geknüpft, einen Film daraus machen zu können. Und daraus hat sich das unser professionelles Verhältnis entwickelt. Was viele missverstehen, weil sie glauben, wir seien befreundet; nein, das sind wir nicht.

Aber sie haben einen Draht zueinander.

Sandra Maischberger: Vielleicht vertraut er mir. Und ich lehne ihn natürlich nicht ab, weil er hierzulande einer der interessantesten Gesprächspartner ist. Rhetorisch brillant, mit hoher Sachkenntnis. Und obendrein hat er immer noch ein paar kleine Frechheiten drauf - er langweilt nie.