Brüssel. Nach stundenlangen Verhandlungen haben die Regierungen der Euro-Zone den Weg für ein umfassendes Paket zur Stabilisierung der Währungsgemeinschaft frei gemacht. Die 17 Staats- und Regierungschefs vereinbarten eine zentrale Bankenaufsicht für die Euro-Zone sowie eine Reihe von Maßnahmen, um den Zinsdruck von Ländern wie Italien und Spanien zu nehmen.
Mit direkter Bankenhilfe und erleichtertem Zugriff auf den Euro-Rettungsschirm will die Eurozone Spanien und Italien aus der Zinsfalle befreien. Dazu gab auch Kanzlerin Angela Merkel nach einem 15-stündigen Verhandlungsmarathon in Brüssel ihren Segen - und machte vor allem an Rom Zugeständnisse.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sprach von einem "Durchbruch, dass Banken direkt rekapitalisiert werden können". Das soll allerdings erst möglich sein, wenn zuvor eine effiziente europäische Aufsicht aufgebaut ist. Die Regierungschefs beauftragten die EU-Kommission, zügig eine Vorschlag dafür auszuarbeiten.
Aber auch Italiens Regierungschef Mario Monti konnte zufrieden sein: Er schreckte bislang aus Angst vor harten Auflagen vor dem Griff zum Eurotropf zurück. Nun einigte sich der Gipfel darauf, spar- und reformwilligen Ländern Hilfe ohne ein zusätzliches Anpassungsprogramm zu gewähren. Die Regierungen müssen sich zwar in einem Abkommen dazu verpflichten, die jährlichen Hausaufgaben der EU-Kommission rechtzeitig zu erfüllen und ihre Defizite rasch abzubauen. "Damit werden aber nur die Verpflichtungen bekräftigt, die das Land schon eine Weile erfüllt", sagte Monti. "Das ist kein Programm wie für Griechenland, Irland oder Portugal." Dessen ungeachtete sagte er, dass er vorerst nicht die Absicht habe, die Möglichkeit zu nutzen.
"Im Rahmen unserer Methoden"
Die Einzelheiten für den erleichterten Euro-Schirm-Zugriff soll die Eurogruppe auf ihrem nächsten Treffen am 9. Juli ausarbeiten, sagte Monti. Italien könnte - sollte Rom sich entsprechend entscheiden - die Möglichkeit zum Anleihenaufkauf durch den Rettungsschirm nutzen. Für ein solches Instrument würde die Europäische Zentralbank als "Agent" fungieren, also im Auftrag des befristeten Schirms EFSF oder des künftigen Schirms ESM am Markt aktiv werden, sagte Monti.
Trotz ihrer Zugeständnisse gab sich auch Merkel zufrieden. Sie betonte, dass auch die künftige Nutzung des Rettungsschirms "im Rahmen unserer Methoden" bleibe - also keine neuen Instrumente geschaffen würden. Allerdings kam sie auch Madrid noch einen Schritt entgegen: So sollen die Europartner - wenn das geplante Hilfsprogramm für die spanischen Banken aus dem ESM kommen wird - ihren bevorzugten Status gegenüber privaten Gläubigern verlieren. Auch das ist eine Maßnahme, um das Geldleihen für Madrid billiger zu machen.
"Die Eurozone wird durch diese Einigung gestärkt", sagte Monti. Der Italiener hatte hoch gepokert: So blockierte er bis zur Einigung auf die Sofortmaßnahmen auch die Verabschiedung eines Wachstumspaktes, auf den er sich schon eine Woche zuvor mit Merkel verständigt hatte. Das war eine glatte Erpressung, denn der Wachstumspakt ist für die Kanzlerin wichtig, um am Nachmittag von Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit für den Fiskalpakt und den ESM-Vertrag zu erhalten. Nach dem Durchbruch um 5 Uhr in der Früh betonte sie daher auch, es seien "gute Entscheidungen getroffen worden, was das Wachstum anbelangt". Das Paket soll Mittel von 120 Milliarden Euro mobilisieren, um Jobs zu schaffen und die Konjunktur anzukurbeln.
Van-Rompuy-Papier im Oktober wieder auf dem Tisch
Weiterer Schritt des Gipfels: Merkel und ihre Kollegen gaben den Startschuss für eine Vertiefung der Währungsunion. Zwar gab es noch keine inhaltliche Debatte. Sie verständigten sich aber auf die Großbaustellen. Dazu gehören eine Banken-Union, eine Fiskal-Union sowie eine politische Union. Im Oktober solle ein überarbeiteter Entwurf auf den Tisch kommen.
Pikant: Als Unterpunkt der Fiskal-Union blieb auch die Ausgabe gemeinsamer Schuldscheine im Papier der Vierergruppe von Ratschef Herman Van Rompuy, EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und EZB-Präsident Mario Draghi. Doch weil die inhaltliche Debatte noch gar nicht begonnen habe, sei das auch nicht als Bereitschaft zu Euro-Bonds zu verstehen, hieß es in Diplomatenkreisen. (dapd/rtr)