Luxemburg. 130 Milliarden Euro schwer ist das Paket, das mit Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien die vier größten Volkswirtschaften Europas auf den Weg gebracht haben, um die Wirtschaft der Gemeinschaft anzukurbeln und neue Jobs zu schaffen. Zugleich steigt der Druck auf Europa, klare Perspektiven aufzuzeigen.
Deutschland, Frankreich sowie die Sorgenstaaten Spanien und Italien sind sich im Krisenkampf ausnahmsweise mal einig: Die vier größten Volkswirtschaften des Euro-Währungsraums verständigten sich am Freitag auf ein Wachstumspaket über 130 Milliarden Euro. Das solle die Wirtschaft beflügeln und Arbeitsplätze schaffen.
Zugleich steigt der Druck auf Deutschland und die Europäer, klare Perspektiven aufzuzeigen. Ende nächster Woche besprechen die EU-Regierungschefs Europas Zukunft. „Wir müssen politisch enger zusammenrücken, insbesondere im Euro-Raum“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Die Lehre aus der Krise ist nicht weniger Europa, sondern mehr Europa.“
Ein Prozent von Europas Wirtschaftsleistung
Dazu gehört auch das Wachstumspaket. Die eingeplante Summe entspreche einem Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Europas, sagte Italiens Ministerpräsident Mario Monti. Merkel findet: „Wachstum und solide Finanzen sind zwei Seiten einer Medaille.“ Ein solider Staatshaushalt reiche nicht aus, wenn daraus kein Wachstum entspringe.
Merkel & Co. geraten derweil immer stärker unter Druck. Nicht Kleckern, sondern Klotzen – das forderte ungewöhnlich deutlich die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Christine Lagarde. Die einstige französische Finanzministerin erntete gemischte Reaktionen auf ihre umfassenden Vorstellungen, in welche Richtung sich der Euro-Währungsraum entwickeln sollte.
Lagarde dürfte das angesichts der Lage im gefährdeten Euro-Raum begrüßen. „Wir sehen deutlich zusätzliche Spannungen und akuten Stress bei Banken und Staaten“, sagte sie. Die Europäer müssten daher bekräftigen, dass sie langfristig eine „echte Währungsunion“ anstrebten. Zusätzlich müssten sie kurzfristig etwas tun, damit die Unsicherheit an den Finanzmärkten schwinde.
Zunächst muss die Unsicherheit schwinden
Der IWF kann ein Mitsprache-Recht im Krisenkampf der Europäer beanspruchen. Er stemmt einen Teil der Notkredite für die Euro-Sorgenstaaten Griechenland, Portugal und Irland.
Lagarde präsentierte die IWF-Ansichten wenige Tage, nachdem die weltweit führenden Industriestaaten Druck auf die Europäer beim „G20“-Gipfeltreffen in Mexiko ausübten. Europa ist der weltgrößte Markt. Daher spüren auch Handelspartner wie die USA und China die Turbulenzen im Euro-Raum.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte sich zurückhaltend zu den IWF-Anregungen, wie der Euro-Währungsraum mit institutionellen Reformen mittelfristig gestärkt werden könne. „Das ist ein wichtiger Beitrag“, sagte er. Der IWF leiste aber „immer sehr hilfreiche Beiträge“. Schäuble warnte aber, dass nicht alle Vorschläge von Lagarde oder von Ökonomen unter dem derzeitigen EU-Recht realisierbar seien.
Schwedens Finanzminister Anders Borg wurde deutlicher: „Wir sollten uns darauf konzentrieren, das Dringendste zuerst zu erledigen.“ Zunächst müsse die Unsicherheit an den Finanzmärkten schwinden und die Glaubwürdigkeit in Spaniens Bankenbranche wiederhergestellt werden.
Lagarde fordert die Bankenunion
IWF-Chefin Lagarde weiß natürlich, dass sie mit ihren Vorstellungen Kanzlerin Merkel nicht begeistern wird. Zwar öffnet sich Merkel immer mehr für „Mehr Europa“, aber mochte sich - anders als Frankreich - bisher nicht für das teilweise gemeinsame Schuldenmachen erwärmen. Doch dies rät die IWF-Chefin – „egal, ob man das Euro-Bonds oder Euro-Bills nennt“.
Noch mit einem anderen Vorschlag dürfte die Französin in Berlin anecken. Sie fordert eine Bankenunion. Dazu gehöre auch eine europäische Einlagensicherung. Deutschland hat Bedenken, dass seine Steuerzahler notfalls für Sparguthaben anderer Europäer geradestehen müssen.
Gesprächsstoff liefert auch Lagarde Kanzlerin Merkel und ihre europäischen Amtskollegen, wenn diese sich nächste Woche in Brüssel treffen. Dann wollen sie „Bausteine“ (EU-Jargon) für eine engere Wirtschafts- und Währungsunion prüfen.